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EU-Parlament erkennt Guaidó als Interimspräsidenten an

Das Europaparlament prescht in der Diskussion um den Umgang mit der Lage in Venezuela voran. Die Abgeordneten beschlossen mit großer Mehrheit, Oppositionsführer Juan Guaidó als rechtmäßigen Interimspräsidenten des südamerikanischen Landes anzuerkennen.

Juan Guaidó
Der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaidó inmitten von Unterstützern in Caracas. Foto: Rayner Pena
Der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaidó inmitten von Unterstützern in Caracas. Foto: Rayner Pena

NEW YORK/CARACAS. Die Abgeordneten des Europaparlaments beschlossen in Brüssel, Oppositionsführer Juan Guaidó als rechtmäßigen Interimspräsidenten des südamerikanischen Landes anzuerkennen. Gleichzeitig forderten sie die Regierungen der EU-Staaten auf, dieser Entscheidung zu folgen.

Als Grund für die klare Positionierung wurden in der verabschiedeten Erklärung die jüngsten Äußerungen des amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro genannt. Dieser hatte die EU-Forderung nach einer umgehenden fairen Neuwahl des Präsidenten in dem Land öffentlich abgelehnt. 

Ob sich die EU-Staaten auf eine gemeinsame Linie in der Frage der Anerkennung Guaidós einigen können, galt bis zuletzt als unklar. Zu dem Thema sollte es am Nachmittag noch einmal Gespräche bei einem informellen Außenministertreffen in der rumänischen Hauptstadt Bukarest geben.

Mehrere europäische Staaten wie Deutschland, Frankreich und Spanien hatten Maduro am vergangenen Wochenende ein Ultimatum gestellt. Die Drohung lautete: Ruft Maduro bis zu diesem Sonntag keine freien und fairen Wahlen aus, wollen sie Guaidó, der sich selbst zum Interimsstaatschef erklärt hat, als Übergangspräsidenten anerkennen.

Währenddessen ist Venezuelas selbst ernannter Interimspräsident Juan Guaidó überzeugt, im Machtkampf mit Staatschef Nicolás Maduro das Militär für sich gewinnen zu können. »Die Unzufriedenheit der Streitkräfte wird irgendwann vollkommen sein«, sagte er der Online-Ausgabe der spanischen Zeitung »El País«. Dies werde dann die Gelegenheit für die Armee sein, sich auf die Seite der Verfassung zu stellen. Am Mittwoch waren erneut zahlreiche Menschen in dem südamerikanischen Erdölland gegen den Sozialisten Maduro auf die Straße gegangen.

Um eine Ablösung Maduros zu erreichen, habe er sich bereits heimlich mit Vertretern der Streit- und der Sicherheitskräfte getroffen, schrieb Guaidó in einem Gastbeitrag für die »New York Times«. Details nannte er nicht. Für einen Regierungswechsel sei es entscheidend, dass das Militär Maduro die Unterstützung entziehe. Die Mehrheit der Diensthabenden sei sich darin einig, dass die Missstände in dem südamerikanischen Erdölland unhaltbar seien. »Wir haben all jenen Amnestie angeboten, die sich keiner Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben«, schrieb Guaidó, der eine Neuwahl in Venezuela fordert. Diese könnte »in sechs, neun oder maximal zwölf Monaten« stattfinden, nachdem Maduro die Macht abgegeben habe, sagte er »El País«.

Der 35 Jahre alte Parlamentschef Guaidó hatte sich am 23. Januar als Übergangspräsident vereidigen lassen. Die von der Opposition kontrollierte, aber entmachtete Nationalversammlung hatte zuvor ein Amnestiegesetz gebilligt, das Militärs Straffreiheit zusichert, wenn sie sich an der Wiederherstellung der demokratischen Ordnung beteiligen. Die Gefahr eines Bürgerkriegs in Venezuela sieht Guaidó nicht. »Warum nicht? Weil 90 Prozent der Bevölkerung einen Wechsel wollen«, sagte er der spanischen Zeitung.

Bislang halten die Generäle öffentlich noch zu Maduro, doch unter den einfachen Soldaten soll es Medienberichten zufolge brodeln. Angesichts der Abwerbeversuche und des wachsenden Drucks aus Washington schwor der 56-Jährige die Soldaten auf die Verteidigung des Landes ein. »Ich rufe die Streitkräfte zu einer großen militärischen Erneuerung auf, um zu garantieren, dass der nordamerikanische Imperialismus niemals einen Fuß auf unser Territorium setzt«, sagte er am Mittwoch bei einem Truppenbesuch.

Die USA und zahlreiche lateinamerikanische Länder haben Guaidó bereits als legitimen Interimspräsidenten anerkannt. Zudem haben mehrere europäische Staaten Maduro ein Ultimatum gestellt: Ruft er bis zum Sonntag keine freien und fairen Wahlen aus, wollen unter anderem Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien Guaidó als Übergangspräsidenten anerkennen.

Bei den Protesten am Mittwoch wurden nach Berichten spanischer Medien in Caracas »sieben bis acht« Journalisten festgenommen, darunter drei Reporter der spanischen Nachrichtenagentur efe. Einer der drei sei Spanier, sagte Agenturpräsident Fernando Garea.

Die spanische Regierung verurteilte die Festnahme »energisch« und rief die Behörden in Caracas zur »sofortigen Freilassung« der Journalisten auf. Venezuela müsse den Rechtsstaat, die Menschenrechte und die Grundfreiheiten achten, teilte das spanische Außenministerium mit. Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza erklärte auf Twitter, einige Journalisten seien auf ordnungswidrige Weise und ohne Arbeitserlaubnis eingereist.

Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Krise fliehen nach UN-Angaben weiterhin Hunderttausende aus dem Land. Die UNO-Flüchtlingshilfe appellierte daher an die Weltgemeinschaft, die Flüchtlinge und auch die Aufnahmeländer zu unterstützen. »Die Länder Südamerikas und der Karibik haben bisher große Hilfsbereitschaft und Solidarität gezeigt. Doch ihre Aufnahmekapazitäten reichen bei Weitem nicht mehr aus. Diese Länder brauchen schnelle und umfangreiche Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, damit die Stimmung in den Ländern nicht auf Kosten der Flüchtlinge kippt«, forderte der Geschäftsführer der UNO-Flüchtlingshilfe, Peter Ruhenstroth-Bauer. (dpa)