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Erdogan zeigt Kubicki wegen »Kanalratten«-Vergleich an

»Kleine Kanalratte« hatte Bundestagsvizepräsident Kubicki den türkischen Präsidenten in Hinblick auf seine Flüchtlingspolitik genannt. Jetzt folgt die Antwort - in Form einer Strafanzeige.

Wolfgang Kubicki
Wolfgang Kubicki sieht einem möglichen Rechtsstreit mit Erdogan sorglos entgegen. Foto: Kay Nietfeld
Wolfgang Kubicki sieht einem möglichen Rechtsstreit mit Erdogan sorglos entgegen.
Foto: Kay Nietfeld

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki wegen eines umstrittenen Tiervergleichs angezeigt. Der Anwalt für Strafrecht, Mustafa Kaplan, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Freitag, er habe im Namen Erdogans bei der Staatsanwaltschaft in Hildesheim Anzeige wegen Beleidigung und Verleumdung gestellt. Eine Sprecherin der Behörde bestätigte die Anzeige. Zuvor hatte das Nachrichtenmagazin »Spiegel« darüber berichtet.

Kubicki hatte den türkischen Präsidenten im Zusammenhang mit dessen Flüchtlingspolitik als »kleine Kanalratte« bezeichnet - und damit bereits am Dienstag heftigen Protest aus der Türkei ausgelöst. Ankara bestellte den deutschen Botschafter ein und ließ diesen wissen, dass die Äußerungen Kubickis aus türkischer Sicht inakzeptabel seien sowie jeder politischen Moral und Verantwortung entbehrten. Das Auswärtige Amt wiederum hatte sich indirekt von Kubickis Äußerungen distanziert.

Erinnerungen an »Affäre Böhmermann«

Der Fall erinnert an die »Affäre Böhmermann« aus dem Jahr 2016. Damals hatte der TV-Satiriker Jan Böhmermann ein Schmähgedicht über Erdogan verfasst und den Präsidenten dabei unter anderem mit Sex mit Tieren in Verbindung gebracht. Das löste einen diplomatischen Eklat aus, Erdogan zeigte den Satiriker an - und erlangte einen Teilerfolg. Einige Passagen des Gedichts wurden verboten.

FDP-Vize Kubicki machte auf dpa-Anfrage deutlich, dass er einem möglichen Rechtsstreit mit Erdogan sorglos entgegen sieht. Laut »Spiegel« heißt es in dem Schreiben Kaplans an die Staatsanwaltschaft, die Äußerung des Bundestagsvizepräsidenten sei geeignet, die betroffene Person »verächtlich zu machen«. Es handele sich um einen »rechtswidrigen Angriff auf die Ehre einer anderen Person.« Der Bericht des Magazins treffe zu, bestätigte Kaplan.

Kubicki zeigt sich unbeeindruckt

Kubicki sagte dazu: »Die Tatsache, dass Herr Erdogan seit Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2014 rund 200.000 solcher Verfahren hat einleiten lassen, sagt eigentlich schon alles. Ich sehe jedenfalls einer möglichen juristischen Auseinandersetzung mit Gelassenheit entgegen.« Im Gegensatz zur Türkei sei Deutschland ein Rechtsstaat, in dem die Meinungs- und Äußerungsfreiheit zentralen Verfassungsrang habe.

Der FDP-Politiker spielt damit wohl darauf an, dass Erdogan auch in der Türkei immer wieder Menschen wegen Präsidentenbeleidigung verklagt. Medienberichten zufolge stellte der Präsident seit Beginn seiner Amtszeit vor acht Jahren tatsächlich rund 200.000 Anzeigen. Erfolgreich waren sie aber nicht immer: Wie die Zeitung »Cumhuriyet« berichtete, mündeten rund 45.000 dieser Anzeigen in Prozesse und in rund 4900 Haftstrafen.

Das war der Kontext

Kubicki hatte den Tiervergleich nach vorherigen eigenen Angaben in Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik der Türkei gewählt. Erdogan habe einen für die Türkei vorteilhaften Deal mit der Europäischen Union zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen abgeschlossen. »Gleichwohl müssen wir sehen, dass die Flüchtlingswelle über die Balkanroute wieder zunimmt, was erneut Herausforderungen für die deutsche Außen- und Innenpolitik mit sich bringt«, sagte Kubicki.

Zur Wortwahl »kleine Kanalratte« hatte er ergänzt: »Eine Kanalratte ist ein kleines, niedliches, gleichwohl kluges und verschlagenes Wesen, weshalb sie auch in Kindergeschichten als Protagonistin auftritt («Kalle Kanalratte», «Ratatouille»).« Die Erklärung hat den türkischen Präsidenten ganz offensichtlich nicht besänftigt.

© dpa-infocom, dpa:220930-99-955623/4