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Empörung über Altkanzler: Schröder zunehmend isoliert

Unverständnis und Empörung über den früheren Kanzler: Geschäftspartner wenden sich ab - die SPD fordert von Gerhard Schröder die Kappung seiner Russland-Verbindungen. Doch der reagiert nicht.

Gerhard Schröder
Altkanzler Gerhard Schröder. Foto: Kay Nietfeld
Altkanzler Gerhard Schröder.
Foto: Kay Nietfeld

Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gerät wegen seines Festhaltens an Geschäftsbeziehungen zu Russland immer stärker in die Kritik. Die Heidelberger Sozialdemokraten fordern seinen Parteiausschluss.

SPD-Chef Lars Klingbeil bekräftigte in einer Fraktionssitzung am Vortag die Forderung an Schröder, seine Mandate in russischen Firmen niederzulegen, wie es aus der Partei hieß. »Die Uhr tickt«, sagte Klingbeil laut »Spiegel online«. Schröder selbst meldete sich nicht zu Wort - allerdings seine Ehefrau Soyeon Schröder-Kim.

Schröder-Kim äußerte sich fast wortgleich zum Angriff Russlands auf die Ukraine wie Schröder vor knapp einer Woche. Viele Menschen hätten sie gefragt, »ob mein Mann nicht mit Herrn Putin über den Krieg in der Ukraine reden könnte«, schrieb sie in einem Instagram-Beitrag, der wenige Stunden später nicht mehr aufrufbar war. Sie betonte wie zuvor Schröder in einem LinkedIn-Beitrag, der Krieg müsse schnellstmöglich beendet werden. »Aber mit Blick auf die Zukunft gilt, dass die verbliebenen politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Verbindungen, die zwischen Deutschland und Russland bestehen, nicht gekappt werden.«

Schröder steht in der Kritik

Konkret geht es bei Schröder um seine Posten für die russischen Energieunternehmen Nord Stream 1 und 2 sowie den Ölkonzern Rosneft, wo er Aufsichtsratschef ist. Zudem soll Schröder einen Aufsichtsratsposten für Gazprom übernehmen. Der Ex-Kanzler steht seit langem wegen seiner Verbindungen nach Russland in der Kritik. Er gilt als langjähriger Freund von Präsident Wladimir Putin, der vergangene Woche den Angriff auf die Ukraine befohlen hat.

Inzwischen stellte die SPD Heidelberg einen Antrag auf Parteiausschluss Schröders, wie der SPD-Kreisvorsitzende Sören Michelsburg mitteilte. Auch andere Kreisverbände hätten Interesse an dem Antrag bekundet. Schröder sei untragbar, weil er sich nicht klar von Putin distanziere. »Wer Putin unterstützt, der teilt die Grundwerte einer Friedenspartei nicht«, betonte Michelsburg.

Langes Verfahren erwartet

Einen Ausschluss kann jeder SPD-Verband beim Schiedsgericht beantragen - allerdings kann so ein Verfahren langwierig sein, wie etwa der Fall des früheren Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin zeigt. Sarrazin wurde 2020 aus der SPD ausgeschlossen. Das gelang aber nach 2009/10 und 2011 erst im dritten Anlauf. Die SPD-Spitze hatte Sarrazin vorgeworfen, mit rassistischen und islamfeindlichen Thesen das Ansehen der Partei zu beschädigen.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja hatte bereits am Dienstag das Ende von Schröders Verbindungen zu russischen Unternehmen binnen 48 Stunden verlangt. Auch Niedersachsen Ministerpräsident und SPD-Chef Stephan Weil und Saar-Vizeministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) hatten Schröder zur Niederlegung seiner Mandate aufgefordert.

Der Tunnelbohrmaschinenbauer Herrenknecht teilte mit, Schröder habe sein Mandat als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender niedergelegt. Den Schritt habe er »in einem persönlichen Gespräch und im gegenseitigen Einvernehmen« mit Vorstandschef Martin Herrenknecht erklärt.

BVB schmeißt Schröder raus

Borussia Dortmund reagierte mit Entzug der Ehrenmitgliedschaft. Vereinspräsident Reinhard Rauball habe Schröder in einem persönlichen Gespräch über einen einstimmig getroffenen Präsidiumsbeschluss unterrichtet, so der BVB. »Die Übernahme von Führungspositionen in russischen Staatskonzernen durch ein BVB-Ehrenmitglied ist vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und des damit einhergehenden gravierenden Verstoßes gegen geltendes Völkerrecht nicht akzeptabel.«

Für Schröder dürfte die Abwendung des Profifußballs schmerzlich sein. Der frühere Kanzler, der einst beim TuS Talle Mittelstürmer war und »Acker« genannt wurde, ist bekennender Fußball- und Dortmund-Fan.

Der Deutsche Fußball-Bund forderte Schröder als Ehrenmitglied des Verbands auf, auf die »Funktionen in russischen Staatskonzernen« zu verzichten. »Oder im Fall, dass er dazu nicht bereit ist, seine Ehrenmitgliedschaft im DFB« aufzugeben, wie die beiden DFB-Interimspräsidenten Hans-Joachim Watzke und Rainer Koch schrieben. Ähnlich hatte sich zuvor Borussia Dortmund geäußert. Auch beim BVB ist der frühere Bundeskanzler Ehrenmitglied.

Am Vortag hatte nach mehr als 20 Jahren Schröders langjähriger Büroleiter und Redenschreiber Albrecht Funk dem Altkanzler den Rücken gekehrt. Angaben dazu, wie es mit Funk und weiteren bisherigen Mitarbeitern Schröders weitergeht, machte Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann nicht. Die Stellen gehören zum Kanzleramt.

Uni Göttingen prüft Ehrendoktortitel

Auch die Universität Göttingen beschäftigt sich mit dem Fall Schröder, der dort Jura studiert hatte und einen Ehrendoktortitel hat. »Dieser Prozess ist aber noch nicht abgeschlossen«, teilte die Universität mit. Das Nachrichtenportal »The Pioneer« hatte zuvor berichtet, die Uni prüfe den Entzug der Ehrendoktorwürde des SPD-Politikers. »Ein formales Prüfverfahren gibt es bisher nicht. Eine Entscheidung steht heute nicht bevor«, so ein Uni-Sprecher. Die naturwissenschaftlichen Fakultäten hatten Schröder den Titel im Jahr 2005 verliehen, weil er sich in seiner Zeit als Ministerpräsident von Niedersachsen (1990-1998) für die Förderung der Naturwissenschaften an der Uni eingesetzt habe.

In der Debatte um Schröders aktuelle Rolle wird immer wieder darauf verwiesen, dass sich Deutschland unter ihm als Kanzler aus dem Irak-Krieg herausgehalten hatte. So erinnerte Niedersachsens Regierungschef Weil daran, dass er sich damit große Verdienste auch in der Friedenspolitik erworben habe. Als die USA 2003 den Krieg gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein planten, sagte Schröder im niedersächsischen Goslar: »Rechnet nicht damit, dass Deutschland einer den Krieg legitimierenden Resolution zustimmt, rechnet nicht damit.«

© dpa-infocom, dpa:220302-99-351595/6