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Empörung über Berlusconi-Aussage zu Ukraine

Silvio Berlusconi sieht in Präsident Selenskyj einen Verantwortlichen für das Blutvergießen in der Ukraine. In Italien und Kiew ist die Empörung groß. Der Rechtsregierung im Rom schadet der Eklat.

Silvio Berlusconi
Italiens ehemaliger Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist mit Kremlchef Wladimir Putin befreundet. Foto: Lapresse
Italiens ehemaliger Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist mit Kremlchef Wladimir Putin befreundet.
Foto: Lapresse

Italiens Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat mal wieder mit Äußerungen zum russischen Angriffskrieg für Empörung gesorgt und die Regierung seiner Koalitionspartnerin Giorgia Meloni in Verlegenheit gebracht.

Der 86-Jährige sagte am Sonntagabend vor Journalisten in Mailand, dass er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der Verantwortung sieht, für eine Feuerpause und damit den Frieden in dem Land zu sorgen. Überhaupt gab Berlusconi Selenskyj - ganz nach Kreml-Lesart - eine Schuld an der Eskalation, weil er Gebiete im Osten der Ukraine angegriffen habe. Und ginge es nach ihm, würden kein Geld und keine Waffen mehr nach Kiew geliefert.

»VIP-Agitator«

Aus der Ukraine und auch aus der italienischen Opposition setzte es scharfe Kritik gegen den einstigen Regierungschef. »Berlusconi ist ein VIP-Agitator innerhalb der russischen Propaganda«, sagte Mychajlo Podoljak, Berater im ukrainischen Präsidentenbüro, der italienischen Zeitung »La Repubblica«. Der Sprecher des Außenministeriums in Kiew, Oleh Nikolenko, schrieb bei Facebook: »Berlusconis lächerliche Anschuldigungen gegen den ukrainischen Präsidenten sind ein Versuch, Putins Hände zu küssen, die mit Blut beschmiert sind.«

Parteikollegen Berlusconis bei Forza Italia versuchten zwar rasch, die Aussagen ihres Chefs zu relativieren und die Unterstützung für die Ukraine zu unterstreichen. Der Schaden schien da aber bereits angerichtet für die Rechtskoalition. Ministerpräsidentin Meloni sagte am Montag wegen einer Grippe alle Termine ab - Berlusconis Kommentare und das Echo darauf dürften bei der Genesung nicht hilfreich sein.

Dabei hatte die ultrarechte Politikerin schon vorige Woche eine diplomatische Klatsche erlitten, als sie bei einem Europa-Besuch Selenskyjs nicht zu einem gemeinsamen Abendessen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kanzler Olaf Scholz eingeladen wurde. Meloni versicherte der Ukraine dennoch ihre vollste Unterstützung.

Berlusconi: Sehe Selenskyj »sehr, sehr, sehr negativ«

Bei Berlusconi klang das ganz anders. Als er von Journalisten zur Ausbootung von Meloni bei dem Dinner in Paris gefragt wurde, antwortete er: »Als Ministerpräsident wäre ich nie zu einem Gespräch mit Selenskyj hingegangen, denn wie ihr wisst, erleben wir gerade die Zerstörung seines Landes und ein Blutbad bei seinen Soldaten und Bürgern. Es hätte gereicht, wenn er aufgehört hätte, die beiden autonomen Volksrepubliken im Donbass anzugreifen, dann wäre das alles nicht passiert.« Er sehe Selenskyj »sehr, sehr, sehr negativ«.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat seinen Ursprung in der von Moskau unterstützten versuchten Sezession der Gebiete Donezk und Luhansk von 2014. Mit deutsch-französischer Hilfe war zwar ein Friedensplan zur Reintegration der abtrünnigen Gebiete vereinbart worden. Dieser scheiterte jedoch mit dem russischen Einmarsch vom Februar vergangenen Jahres endgültig.

»Mischt euch nicht ein, während wir Russen Ukrainer töten«

Podoljak schrieb der »Repubblica«, dass der einstige Regierungschef Berlusconi in Rom »das Ansehen Eures Landes eintauscht gegen seine Freundschaft mit dem Diktator Putin«. Der Berater erklärte, dass Berlusconis Sätze »die Kernaussagen der Kreml-Propaganda widergeben, nämlich: Mischt euch nicht ein, während wir Russen Ukrainer töten«. Von »unglaublichen Aussagen« sprach auch Mariastella Gelmini von der italienischen Zentrumspartei Azione, die Forza Italia erst vor Monaten verlassen hatte und unter Berlusconi Ministerin gewesen war.

Übrigens hatte Berlusconi auch eine Idee, wie Frieden erreicht werden könne. US-Präsident Joe Biden sollte Selenskyj zur Seite nehmen und ihm eine Art Marshall-Plan »über sechs-, sieben-, acht-, neuntausend Milliarden Dollar« anbieten, »unter einer Bedingung: Dass du morgen eine Feuerpause anordnest, weil wir dir von morgen an keine Dollar und keine Waffen mehr geben werden«, sagte Berlusconi, der in den vergangenen Monaten bereits mehrfach mit Aussagen über seine Freundschaft zu Putin und seine Ansichten zum Krieg aufgefallen war.

© dpa-infocom, dpa:230213-99-572909/6