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Donald Trump will zurück ins Weiße Haus

Der Ex-Präsident hatte sich vermutlich eine andere Ausgangslage für sein Comeback gewünscht: Nach den Kongresswahlen steht seine Macht in der Republikanischen Partei in Frage. Donald Trump geht trotzdem in die Offensive.

Donald Trump
Der frühere US-Präsident Donald Trump spricht in seinem Anwesen Mar-a-Lago. Foto: Andrew Harnik
Der frühere US-Präsident Donald Trump spricht in seinem Anwesen Mar-a-Lago.
Foto: Andrew Harnik

Donald Trump wirkt für seine Verhältnisse reichlich gebremst bei der nach seinem Ermessen vielleicht größten Ankündigung aller Zeiten. Der Ex-US-Präsident wirft zwar wie üblich mit Superlativen um sich an diesem Abend (»Ich werde kämpfen, wie noch niemand je gekämpft hat«), aber er tut dies ruhiger, langsamer, weniger energisch als sonst bei Wahlkampfauftritten.

»Wir halten es heute ganz elegant«, sagt der 76-Jährige, bevor er der Welt ohne das übliche Crescendo, ohne Tusch oder Trommelwirbel seine »große Mitteilung« macht: »Um Amerika wieder groß und glorreich zu machen, gebe ich heute Abend meine Kandidatur für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten bekannt.«

Der Republikaner hat sein privates Anwesen Mar-a-Lago in Florida für den großen Auftritt ausgewählt. Jenen Ort, den FBI-Ermittler vor gut drei Monaten durchsuchten, weil Trump dort lange nach seinem Abschied aus dem Weißen Haus geheime Regierungsdokumente aufbewahrte. Und er hat jenen Tag gewählt, an dem US-Präsident Joe Biden auf der anderen Seite der Welt beim G20-Gipfel in Indonesien auf der Weltbühne steht.

Noch einmal »Make America Great Again«

Trumps Bühne ist in einem Raum, der nicht mit Gold und Glitzer geizt. Üppige Kronleuchter hängen von der Decke, goldene Stühle mit geladenen Gästen füllen den Saal, auf der Bühne ist eine ganze Batterie von US-Flaggen aufgereiht, links und rechts daneben hängen Banner mit Trumps altem und neuem Wahlkampfmotto: »Make America Great Again«, kurz MAGA (auf Deutsch: Macht Amerika wieder großartig).

Der Republikaner nutzte den Slogan schon 2016 bei seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf. Damals gefiel er sich in der Rolle des politischen Underdogs, des Außenseiters, der das Establishment aufmischt. Mit dieser Erzählung versucht er es nun wieder: »Das Washingtoner Establishment will uns zum Schweigen bringen, aber das werde ich nicht zulassen«, ruft Trump in den Saal. »Ich bin eure Stimme.« Er werde Korruption aufdecken, den »Sumpf austrocknen«, den »tiefen Staat« demontieren, das Land aus den Klauen »radikaler Linker« befreien und die USA vor Biden und dem Untergang bewahren.

Es sind alte Klassiker Trumps, doch er trägt sie weniger aggressiv vor als üblich. An diesem Abend spart er sich Beschimpfungen und geschmacklose Witze, versucht sich etwas mehr als Staatsmann denn als Entertainer, und vor allem lässt er ein Thema fast komplett aus, mit dem er in den vergangenen zwei Jahren so gut wie jeden Auftritt bestritt: die Mär von der »gestohlenen Wahl« 2020, von massivem Wahlbetrug, der ihn um einen Sieg gegen Biden gebracht habe.

»Es reicht nicht aus, sich nur zu beschweren«

Die US-Kongresswahlen vor einer Woche haben gezeigt, dass viele Amerikaner Trumps Behauptungen und Hetze über die Wahl nicht mehr hören wollen. Zahlreiche extreme Kandidaten, die er stützte und die seine Wahlleugnung teilten, fielen durch. Und die Republikaner fuhren ein hochgradig enttäuschendes Ergebnis ein. Viele Parteikollegen machen Trump offen für das Debakel verantwortlich - ihn und seine düsteren, nicht enden wollenden Klagen über angeblichen Betrug.

Trump verspricht nun, in seiner neuen Kampagne werde es um Visionen, »große Ideen« und »kühne Träume« gehen. »Denn es reicht nicht aus, sich nur zu beschweren«, sagt Trump, der die vergangenen zwei Jahre kaum anderes tat. »Wir wollen keine Nörgler sein.«

Viele Republikaner fordern nach der Schlappe bei den Kongresswahlen mehr positive Botschaften, etwas mehr Vernunft, etwas weniger Skandale. Und einige verlangen: weniger Trump. Das Wahldebakel hat seine Führungsrolle in der Partei ins Wanken gebracht.

Gegenkandidaten bringen sich in Stellung

Die Zahl der Republikaner, die öffentlich dazu aufrufen, Trump hinter sich zu lassen, wächst jeden Tag - inzwischen sind zunehmend prominente dabei. Selbst Trumps früherer Vize, Mike Pence, der seinem Chef einst treu ergeben war, sagte gerade erst in einem Interview, er glaube, dass es in der Zukunft bessere Alternativen gebe als Trump. Pence macht inzwischen keinen Hehl mehr daraus, dass er selbst über eine Präsidentschaftsbewerbung für 2024 gegen Trump nachdenkt.

Vor ein paar Monaten war noch völlig unklar, ob sich überhaupt jemand gegen Trump ins Rennen wagen würde. Nun ist eine ganze Reihe von Gegenkandidaten vorstellbar. Gefährlich werden könnte Trump vor allem einer: Floridas Gouverneur Ron DeSantis, der neue starke Mann in der Republikanischen Partei. Nachdem der 44-Jährige bei den Zwischenwahlen mit einem starken Ergebnis als Gouverneur wiedergewählt wurde, drängen ihn Dutzende Parteikollegen öffentlich, 2024 anzutreten. Erklärt hat sich DeSantis noch nicht.

Republikaner, die öffentlich Trumps Präsidentschaftsbewerbung unterstützen, sind dagegen rarer und kommen eher vom rechten Rand der Partei. Und selbst Trumps Tochter Ivanka - in der Amtszeit ihres Vaters noch »First Daughter« und Präsidenten-Beraterin - will beim zweiten Anlauf von Trump nicht dabei sein, wie sie kurz nach dessen Auftritt erklärt. Im Saal in Mar-a-Lago fehlt sie.

»Mann aus Florida macht Ankündigung«

Die konservative Zeitung "New York Post", die zum Imperium von Medienmogul Rupert Murdoch gehört und einst fest an Trumps Seite stand, verbannt den Auftritt auf ihrer Titelseite in eine kurze Schlagzeile ganz unten. »Mann aus Florida macht Ankündigung«, steht da spöttisch. Nicht mal Trumps Name ist genannt. So etwas schmerzt den Republikaner.

An der Basis hat Trump immer noch eine beachtliche Zahl frenetischer Anhänger. Aber ob das reicht? Denn um am Ende der offizielle Kandidat seiner Partei zu werden, muss sich Trump in parteiinternen Vorwahlen durchsetzen - gegen mutmaßlich einige Konkurrenz.

Schutz vor Strafverfolgung als Motivation?

Trump ist außerdem in diverse rechtliche Auseinandersetzungen verstrickt - wegen der Mitnahme geheimer Regierungsdokumente, der Kapitol-Attacke, dubioser Geschäftspraktiken, wegen seiner Versuche, den Ausgang der Wahl 2020 nachträglich zu kippen. Die Liste ließe sich fortsetzen. Drohendes juristisches Ungemach könnte in seine Entscheidung mit reingespielt haben, eine dritte Präsidentschaftskampagne zu starten - in der Hoffnung, dass ihn das vor einer Strafverfolgung schützen oder ihm neue Argumente an die Hand geben könnte, um jedes Vorgehen gegen ihn als politisch motiviert anzuprangern. Wirklich geschützt wäre er erst bei einem erneuten Einzug ins Weiße Haus. Ob ihm das gelingt, ist offen.

In den USA kann jemand zwei Amtszeiten lang Präsident sein, egal ob diese aufeinander folgen oder nicht. Es gab in der US-Geschichte bislang allerdings nur einen Präsidenten, der nach Unterbrechung ein zweites Mal zurück ins Weiße Haus gewählt wurde: Grover Cleveland - im 19. Jahrhundert. Trump hat sich bislang mit anderem einen Eintrag in Geschichtsbüchern gesichert: als erster US-Präsident, gegen den während seiner Amtszeit gleich zwei Amtsenthebungsverfahren im Kongress eingeleitet wurden. Und eben als Präsident, der sich weigerte, seine Wahlniederlage einzugestehen, der seine Anhänger mit Betrugsbehautungen aufpeitschte, bis sie gewaltsam den Kongresssitz in Washington erstürmten. Das lässt sich nicht vergessen machen.

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