BERLIN. Die deutsche Bundesregierung will das Atomprogramm mit Brasilien und die Belieferung mit Brennstäben auch unter dem rechten Präsidenten Jair Bolsonaro fortsetzen.
»Weder aus außenpolitischer, noch aus energiepolitischer Sicht besteht eine Notwendigkeit, das Abkommen zu kündigen oder zu novellieren«, heißt es in einer Antwort von Wirtschafts-Staatssekretär Ulrich Nußbaum an die Grünen-Fraktion, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Seit 2011 wurden demnach trotz des deutschen Atomausstiegs-Beschlusses 173,7 Tonnen angereichertes Uranhexafluorid und Brennstäbe mit insgesamt 10 Tonnen Uran nach Brasilien geliefert, wo zwei Reaktoren im Kernkraftwerk Angra betrieben werden.
Bolsonaro tritt Anfang Januar sein Amt an. Er sieht US-Präsident Donald Trump als sein Vorbild, setzt auf einen nationalistischen Kurs und ist auf Konfrontationskurs zum sozialistischen Nachbarland Venezuela. Er hetzt gegen Andersdenkende und will das Gewaltproblem unter anderem mit einer stärkeren Bewaffnung der Bevölkerung lösen.
»Daheim aussteigen, aber eine Atomkraft-freundliche Außenpolitik betreiben - selbst bei einem rechtsextremen, rassistischen Präsidenten«, kritisiert die Vorsitzende des Umweltausschusses im Deutschen Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl (Grüne). Die Regierung mache sich unglaubwürdig und schade der globalen Energiewende. »Das Atomabkommen muss endlich gekündigt werden«, sagt Kotting-Uhl an die Adresse der großen Koalition von Union und SPD.
Besondere Sorge bereite, dass Brasilien sich bisher weigere, ein Zusatzprotokoll zum Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag zu unterzeichnen. »Im Rahmen des EU-Brasilianischen Dialogs über Nichtverbreitung und Abrüstung (8. November 2018) wurde die brasilianische Seite erneut aufgerufen, ein IAEO-Zusatzprotokoll abzuschließen«, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Grünen-Politiker Kotting-Uhl, Jürgen Trittin und Omid Nouripour. »Brasilien habe mitgeteilt, dass man diesen Schritt nicht plane.« Daran dürfte sich unter Bolsonaro nichts ändern - seine Regierung hat bereits angedroht, mehrere internationale Abkommen zu verlassen, womöglich auch den Pariser Klimavertrag.
Die Atompartnerschaft geht zurück auf eine Kooperation von Kanzler Helmut Schmidt (SPD) mit der damaligen brasilianischen Militärdiktatur in den 1970er Jahren. In der Anlage laufen Turbinen der ehemaligen Kraftwerk Union AG. Der noch im Bau befindliche, von Korruptionsaffären immer wieder im Zeitplan zurückgeworfene Reaktor Angra 3 wird nach dem Vorbild und mit der Technik des in Deutschland bereits abgeschalteten Atomkraftwerks Grafenrheinfeld gebaut.
Aus der von deutschen Konzernen erhofften Kooperation im großen Stil mit Milliardengeschäften wurde nicht viel - Brasilien setzt heute vor allem auf Wasserkraft. Der Angra-Komplex liegt 190 Kilometer südlich von Rio de Janeiro in einer erdbebengefährdeten Region am Meer. Für Angra 3 gab es 2010 eine Grundsatzzusage für eine deutsche Hermes-Exportkreditgarantie über 1,3 Milliarden Euro.
Nach Fukushima und dem deutschen Ausstiegsbeschluss kam es hierzu aber nicht. 2014 erklärte der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), es gebe keine finanzielle Unterstützung mehr für Atomkraftwerke im Ausland. »Dies gilt sowohl für Neubauten als auch Bestandsanlagen.« Davon unberührt ist bis heute die Unterstützung Brasiliens beim Betrieb bestehender Anlagen. »Ziel der Kooperation (...) ist es, durch technisch-wissenschaftliche Zusammenarbeit die nukleare Sicherheit zu verbessern«, betont die Bundesregierung. (dpa)