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Deutsche Rüstungsexporte für mehr als acht Milliarden Euro

Die Ampel-Regierung hatte sich eigentlich vorgenommen, die Rüstungsexporte zurückzufahren. Der Ukraine-Krieg machte ihr aber einen Strich durch die Rechnung.

Scholz vor Panzer
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht bei einem Besuch des Ausbildungsprogramms für ukrainische Soldaten an einem Gepard-Panzer vorbei. Foto: Marcus Brandt
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht bei einem Besuch des Ausbildungsprogramms für ukrainische Soldaten an einem Gepard-Panzer vorbei.
Foto: Marcus Brandt

Die Bundesregierung hat in diesem Jahr bisher Rüstungsexporte für mindestens 8,35 Milliarden Euro genehmigt - der zweithöchste Wert in der Geschichte der Bundesrepublik. Nur 2021 war die Zahl mit 9,35 Milliarden Euro noch höher.

Mehr als ein Viertel der vom 1. Januar bis 22. Dezember erlaubten Ausfuhren von Waffen und Ausrüstung ging in die von Russland angegriffene Ukraine. Fast die Hälfte aller Exportgenehmigungen wurde für Kriegswaffen erteilt. Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervor. Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Die Ampel-Regierung hatte sich in den Koalitionsverhandlungen auf Drängen von SPD und Grünen eigentlich vorgenommen, die Rüstungsexporte zurückzufahren und dafür ein Kontrollgesetz auf den Weg zu bringen. Dann kam mit dem Ukraine-Krieg die Kehrtwende in der Rüstungspolitik. Das selbst auferlegte Verbot von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete wurde von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner »Zeitenwende«-Rede am 27. Februar einkassiert - ein Bruch mit seit Jahrzehnten geltenden Grundsätzen.

Rüstungsgüter für 2,24 Milliarden für die Ukraine

Seitdem sind Rüstungslieferungen für 2,24 Milliarden Euro für die Ukraine genehmigt worden, darunter viele schwere Waffen wie 30 Flugabwehrpanzer Gepard, 14 Panzerhaubitzen 2000 (schwere Artilleriegeschütze), fünf Mehrfachraketenwerfer oder das Flugabwehrsystem Iris-T. Der hohe Gesamtwert der Ausfuhrerlaubnisse ist aber nicht alleine darauf zurückzuführen.

Auch ohne die Ukraine wurden Exporte im Wert von mehr als sechs Milliarden Euro genehmigt. Zur Einordnung: In den 16 Regierungsjahren von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde die Sechs-Milliarden-Marke nur fünf Mal überschritten.

Anteil der Kriegswaffen so hoch wie seit Jahren nicht

Der Anteil der Kriegswaffen an den gesamten Rüstungsexporten liegt mit 47,5 Prozent (3,96 Milliarden Euro) so hoch wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. 2021 waren es 45,1 Prozent.

Der vom Wirtschaftsministerium genannte Gesamtwert der Rüstungsexporte von 8,35 Milliarden Euro für das laufende Jahr kann sich noch erhöhen. Erfasst sind nur die Genehmigungen bis einschließlich 22. Dezember. Anfang Januar sollen die Zahlen für das ganze Jahr veröffentlicht werden.

Die Linken-Politikerin Dagdelen kritisierte die vorläufigen Zahlen scharf: »Das Kabinett von SPD, FDP und Grünen verantwortet die zweithöchsten Exporte von Waffen und Kriegsgerät aller Zeiten. Statt die Rüstungsexporte wie versprochen einzuschränken, liefert die Ampel skrupellos Rüstungsgüter in Kriegs- und Krisengebiete und profitiert von Konflikten und Toten.«

Deutlich weniger Exporte in Drittstaaten

In der Rangliste der wichtigsten Empfängerländer folgen hinter der Ukraine mit den Niederlanden (1,83 Milliarden), den USA (863,7 Millionen Euro), Großbritannien (453,0) und Ungarn (249,2) vier Nato-Staaten. Unter den Top Ten sind mit Australien (196,1), Singapur (175,1) und Südkorea (166,5) auch noch weitere drei weitere Länder, die nicht zu EU oder Nato gehören. Australien wird in der Exportstatistik aber den Nato-Staaten gleichgestellt.

Für Drittstaaten jenseits von EU, Nato und gleichgestellten Ländern wurden in diesem Jahr bisher Rüstungsgüter für 3,23 Milliarden Euro genehmigt, darunter mehr als zwei Drittel für die Ukraine. Der Anteil der Exporte in Drittstaaten am Gesamtwert sank im Vergleich zum Vorjahr von 63,6 auf 38,7 Prozent. Der hohe Anteil 2021 ging vor allem auf Ägypten zurück, für das die Regierung Merkel Kriegsschiffe, Luftabwehrsysteme und andere Rüstungsgüter für 4,34 Milliarden Euro genehmigte.

Die große Koalition von Union und SPD hatte damals in den letzten neun Tagen ihrer Amtszeit noch Exporte für fast fünf Milliarden Euro erlaubt, obwohl sie nur noch geschäftsführend im Amt war. Nur so kam am Ende des Jahres der Rekordwert von mehr als neun Milliarden Euro zustande.

Kriegswaffen auch für Katar - und für Saudi-Arabien auf Umwegen

Unter den Drittstaaten sind auch in der diesjährigen Statistik mehrere Staaten aus der Golfregion. Das geht aus der Antwort auf eine weitere Anfrage Dagdelens hervor. Alleine für das wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik stehende Katar wurden von Jahresanfang bis zum 13. Dezember 53 Ausfuhrerlaubnisse mit einem Gesamtwert von 50,2 Millionen Euro erteilt, darunter Kriegswaffen für 10,2 Millionen Euro. Nach Saudi-Arabien, das eine Allianz arabischer Staaten im Jemen-Krieg anführt, dürfen Rüstungsgüter für 16,7 Millionen Euro geliefert werden, fast die Hälfte des Betrags entfällt mit 7,1 Millionen auf Kriegswaffen.

Schon die große Koalition von Union und SPD hatte sich 2018 vorgenommen, keine Rüstungsgüter in Länder zu exportieren, die aktiv am Jemen-Krieg beteiligt sind. Nur für Saudi-Arabien wurde schließlich ein Exportstopp erlassen - aber mit Ausnahmen, die auch die Ampel-Regierung weiterhin zulässt.

Zulieferung deutscher Unternehmen für Gemeinschaftsprojekte mit Bündnispartnern sind weiterhin möglich, zum Beispiel für den vom britischen Unternehmen BAE Systems nach Saudi-Arabien exportierten Kampfjet Eurofighter. Insgesamt wurden von der Bundesregierung bis Mitte Dezember für die sieben Golf-Staaten auf der arabischen Halbinsel Rüstungsexporte im Wert von mindestens 127,9 Millionen Euro genehmigt.

© dpa-infocom, dpa:221226-99-22709/8