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Corona-Protest: Innensenator verteidigt Demonstrationsverbot

Wird das Verbot der geplanten Berliner Demonstration gegen Corona-Auflagen Bestand haben? Darüber werden wohl Gerichte befinden müssen. Innensenator Geisel wehrt sich gegen den Vorwurf, mit dem Verbot eine politische Linie durchzusetzen.

Andreas Geisel
»Klar gemacht, dass wir uns nicht wieder auf der Nase herumtanzen lassen«: Berlins Innensenator Andreas Geisel. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa
»Klar gemacht, dass wir uns nicht wieder auf der Nase herumtanzen lassen«: Berlins Innensenator Andreas Geisel. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

BERLIN. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat das Verbot der Demonstration gegen die Corona-Politik verteidigt. Im RBB-Inforadio sprach er am Donnerstag von einer schweren Entscheidung. Es sei Ziel der Demonstration, gegen den Infektionsschutz zu verstoßen.

Deswegen hätten sie das Grundrecht auf Unversehrtheit des Lebens höher gewertet als das auf Versammlungsfreiheit, sagte Geisel.

Man müsse abwägen, welches Gefahrenpotenzial für die Gesundheit der Teilnehmer, aber auch für andere Berliner und vor allem für die Polizisten bestehe. »Deswegen haben wir klar gemacht, dass wir uns nicht wieder auf der Nase herumtanzen lassen«, sagte Geisel.

Am 1. August waren Tausende Menschen in Berlin auf die Straße gegangen. Weil viele keine Masken trugen und den Mindestabstand nicht einhielten, löste die Polizei eine Kundgebung auf. Nun untersagte die Versammlungsbehörde der Polizei mehrere fürs Wochenende geplante Proteste.

Die Veranstalter-Initiative aus Stuttgart will vor dem Verwaltungsgericht gegen das Verbot vorgehen und wenn nötig auch das Oberverwaltungsgericht und das Bundesverfassungsgericht anrufen. Bis zum frühen Donnerstagvormittag lag beim Verwaltungsgericht Berlin noch kein Widerspruch der Veranstalter vor. Man rechne aber mit dem Eingang im Lauf des Tages, sagte ein Gerichtssprecher. Ob das Gericht dann noch am Donnerstag oder erst am Freitag zu einer Entscheidung komme, stehe noch nicht fest. Ungewöhnlich seien so schnelle Beschlüsse vor Veranstaltungen wie Demonstrationen aber nicht.

Geisel hatte am Mittwoch auch erklärt: »Ich bin nicht bereit, ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird.« Auf die Frage, ob er damit nicht den Verdacht nähre, dass es ihm am Ende weniger um den Infektionsschutz gehe, sondern vor allem darum, Reichsbürger und Rechtsextremisten fernzuhalten, sagte er im Inforadio: »Nein. Das ist eine schwierige Abwägung, die wir dort getroffen haben. Die steht in der Verbotsverfügung, da geht es um Infektionsschutz.« Aber er habe auch das Recht, eine politische Meinung zu haben.

Auf die Nachfrage, ob es politisch klug sei, diese beiden Dinge so nah aneinander in einer Mitteilung zu formulieren, sagte er: »Vor Gericht zählt nur die Verbotsverfügung, nicht meine politische Haltung.« Aber dass der Staat, die Demokratie wehrhaft sein müsse, und auch eine politische Haltung einnehme, sei seine Überzeugung.

Die Initiative Querdenken 711 und die AfD warfen dem Senator vor, die Demonstration aus politischen Gründen verbieten zu wollen. Der Initiator der Demonstration, Michael Ballweg, schrieb, es gehe »nicht um infektionsschutzrechtliche Befürchtungen, (...) sondern ausschließlich um die Gesinnung der Teilnehmer«.

Zur größten Kundgebung am Wochenende hatte die Initiative für Samstagnachmittag 22.000 Teilnehmer auf der Straße des 17. Juni nahe dem Brandenburger Tor angemeldet. Im Internet erschienen Aufrufe, trotz Verbot in die Hauptstadt zu reisen und zu protestieren. Teilweise wurden dabei Gewalt und politischer Umsturz gefordert.

Geisel zeigte sich laut einem »Tagesspiegel«-Bericht besorgt, dass es zu Gewalt kommen könnte. Es habe erhebliche Drohungen gegen seine Behörde und die Polizei gegeben. Im Inforadio sagte er, dort versammle sich ein sehr heterogenes Spektrum. Am 1. August hätten sich zwischen 20.000 und 30.000 Menschen zusammengefunden, darunter 3000 bis 4000 Neonazis. »Wir erwarten am Wochenende einige Tausend Neonazis mehr, auch einige Tausend Demonstranten mehr.« Die Polizei sei am Wochenende mit mehreren Tausend Beamten präsent, um entweder das Demonstrationsverbot oder aber harte Auflagen durchzusetzen.

Der Staatsrechtler Ulrich Battis verteidigte die Berliner Entscheidung. »Die Versammlungsfreiheit ist nicht schrankenlos«, sagte Battis der »Rhein-Neckar-Zeitung«. Bei Demonstrationen gehe es auch um die Erfüllung von Kooperationspflichten. »Wer geltende Vorschriften wie Abstand und Hygieneregeln bewusst nicht einhält und auch gegen Demonstrationsauflagen verstößt, der ist nicht friedlich.«

Nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz spielen Rechtsextremisten keine führende Rolle bei den Demonstrationen gegen die Corona-Politik. Zwar hätten rechtsextremistische Parteien dies in den vergangenen Monaten immer wieder versucht und intensiv für die Teilnahme geworben, sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang dem ARD-Magazin »Kontraste«. Diese Versuche seien aber »nicht besonders effektiv« gewesen. Der Verfassungsschutz sehe bei den Demonstrationen »eine große Anzahl von Menschen, die den unterschiedlichsten Verschwörungstheorien anhängen«, sagte er. Das sei aber alles im Bereich dessen, »was sich noch auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt«. (dpa)