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Bundestagsgutachten: Kinderrechte-Entwurf greift zu kurz

Kinder sollen in Deutschland mehr Rechte bekommen. Dafür will die Koalition das Grundgesetz ändern. Kinderschützer, Linke und Grüne kritisieren die bisherigen Regierungspläne aber als unzureichend und fühlen sich durch ein Gutachten nun bestätigt.

Kinderrechte
Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, die Rechte von Kindern explizit im Grundgesetz zu verankern. Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, die Rechte von Kindern explizit im Grundgesetz zu verankern. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Berlin (dpa) - Die Pläne von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) zur Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz erfüllen nach Einschätzung von Bundestagsexperten nicht die internationalen Vorgaben zur Besserstellung von Kindern. Der Vorschlag bleibe bezüglich der Beteiligungs- und Mitspracherechte der Kinder hinter den völkerrechtlichen Staatenverpflichtungen aus Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention zurück, heißt es in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Grüne und Linke sehen sich durch das Gutachten in ihrer Kritik bestätigt und forderten am Dienstag deutlich weitreichendere Formulierungen zugunsten der Kinder im Gesetzentwurf. Genau davor warnte auf der anderen Seite die FDP. Die Liberalen befürchten, dass zu starke Formulierungen zu Eingriffen des Staates in die Familie führen könnten. Die SPD verteidigte den Gesetzentwurf ihrer Ministerin als »klug und ausgewogen«.

In der UN-Kinderrechtskonvention hatten sich die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen vor 30 Jahren verpflichtet, Kindern bestimmte grundlegende Rechte zu garantieren. In Deutschland ist das nach Ansicht von Kinderschutzverbänden bisher nicht ausreichend umgesetzt. Union und SPD hatten deshalb im Koalitionsvertrag vereinbart, die Rechte von Kindern explizit ins Grundgesetz zu schreiben. Seit Ende November liegt ein Gesetzentwurf von Justizministerin Lambrecht dazu vor, der eine Ergänzung von Artikel 6 Grundgesetz vorsieht, in dem das Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und Staat geregelt wird.

Lambrechts Entwurf sieht vor, Artikel 6 um einen neuen Absatz 1a zu ergänzen: »Jedes Kind hat das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte einschließlich seines Rechts auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft. Das Wohl des Kindes ist bei allem staatlichen Handeln, das es unmittelbar in seinen Rechten betrifft, angemessen zu berücksichtigen. Jedes Kind hat bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf rechtliches Gehör.«

Kinderschutzverbänden, Linken und Grünen ist das zu wenig. Sie fordern, dass Kinder bei staatlichen Entscheidungen oder Entscheidungen, die sie betreffen, nicht nur »berücksichtigt« und »gehört«, sondern explizit auch beteiligt werden.

Der Knackpunkt bei der geplanten Grundgesetzänderung: Die Koalition braucht dafür Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat und ist damit auch auf Stimmen der Opposition angewiesen.

Der Abgeordnete Norbert Müller von der Linken, der auch Mitglied der Kinderkommission des Bundestages ist, hatte das Gutachten beim Wissenschaftlichen Dienst in Auftrag gegeben. Es bestätige, was er bereits befürchtet habe, sagte Müller der dpa: »Der Vorschlag des Justizministeriums ist nicht geeignet, die Rechte von Kindern zu stärken.« Die Bundesregierung müsse dringend nacharbeiten. »In der jetzigen Form ist die Grundgesetzänderung für uns so nicht zustimmungsfähig.«

Ähnlich äußerten sich die Grünen: Lambrechts Gesetzentwurf sei zu schwach. Das habe man jetzt schwarz auf weiß, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der dpa. Der Entwurf müsse nachgeschärft werden. Auf der anderen Seite steht die FDP. Sie bot beim Thema Kinderrechte ins Grundgesetz zwar erneut eine »konstruktive Zusammenarbeit« an, warnte Grüne und Linke aber vor »Maximalforderungen«. Wichtig für die Liberalen sei, »dass sich der Staat nicht als stiller Miterzieher in den Familienverbund einmischt«, sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzenden Stephan Thomae. Diese Bedenken werden auch immer wieder von Politikern der Regierungsparteien CDU und CSU geäußert.

Die beiden stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast und Eva Högl, teilten am Dienstag mit: Es gehe nicht um Paragrafen, sondern Kinder. »Der Vorschlag von Bundesministerin Christine Lambrecht ist klug und ausgewogen.« Jetzt sei es an der Union, ihre Bedenken aufzugeben, damit man zu einer gemeinsamen Lösung in der Koalition komme und das Parlament darüber beraten könne.

UN-Kinderrechtskonvention