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Brasilien-Wahl: Die Bedeutung für Klimaschutz und Welthandel

Brasilien entscheidet über seinen nächsten Präsidenten. Doch auch der Rest der Welt könnte die Auswirkungen zu spüren bekommen. Bei vielen Zukunftsthemen kommt man am größten Land Lateinamerikas nicht vorbei.

Brasilien vor der Wahl
In einer Bar in Rio de Janeiro im Stadtviertel Lapa läuft die letzte TV-Debatte zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten. Foto: Fernando Souza
In einer Bar in Rio de Janeiro im Stadtviertel Lapa läuft die letzte TV-Debatte zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten.
Foto: Fernando Souza

Brasilien steht am Scheideweg. Bei der Präsidentenwahl heute entscheidet sich, ob der rechte Staatschef Jair Bolsonaro im Amt bleibt oder der linke Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva nochmals vier Jahre an die Macht kommt. Die Richtungswahl im größten Land Lateinamerikas hat aber auch Auswirkungen auf den Rest der Welt.

Umwelt und Klima

Das Amazonasgebiet mit seiner riesigen Artenvielfalt ist im Kampf gegen den Klimawandel bedeutend. Der Regenwald bindet immense Mengen des Klimagases CO2 und spielt für das Weltklima eine große Rolle. In Bolsonaros Amtszeit haben Abholzung und Brände wieder deutlich zugenommen. Er will noch mehr Flächen für Landwirtschaft, Bergbau und Energiegewinnung erschließen. Kritiker werfen ihm vor, Bauern, Holzfäller und Goldsucher zu illegaler Landnahme zu ermutigen. Kontrollbehörden seien systematisch geschwächt worden.

Zwar war Lula ist seinen ersten beiden Amtszeiten auch nicht gerade als Grüner bekannt, kündigte nun aber für den Fall eines Wahlsiegs eine neue Umwelt- und Klimapolitik an. »Diese Wahl wird zeigen, ob die Brasilianer für oder gegen das Klima und den Umweltschutz stimmen«, sagt die Koordinatorin des Instituts für Klima und Gesellschaft in Rio de Janeiro, Marina Marçal.

Lebensmittel und Energie

Angesichts der gestiegenen Preise für Lebensmittel und Energie wegen des Ukraine-Kriegs dürfte Brasilien als Lieferant an Bedeutung gewinnen. Das Land gehört zu den größten Exporteuren von Soja, Rindfleisch, Kaffee und Zucker. Nach Berechnungen der staatlichen Agrar-Forschungsagentur Embrapa produziert es Nahrungsmittel für 780 Millionen Menschen - knapp ein Zehntel der Weltbevölkerung. Die Agrarindustrie wird nach Einschätzung der deutschen Wirtschaftsförderungsgesellschaft GTAI noch wichtiger.

Bezüglich des Handelsvolumens ist Brasilien weltweit zweitgrößter und bezüglich des Ausfuhrwerts fünftgrößter Exporteur von verarbeiteten Nahrungsmitteln. Zudem gilt es als Vorreiter bei erneuerbaren Energien - mehr als 80 Prozent des Stroms wird über grüne Energiequellen wie Wasser- und Windkraft sowie Biomasse erzeugt. Für grünen Wasserstoff gibt es auch in Deutschland großen Bedarf.

Welthandel

Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay) liegt derzeit auf Eis. Dadurch entstünde die größte Freihandelszone der Welt mit 780 Millionen Menschen. Das Abkommen soll Zölle abbauen und damit den Handel ankurbeln. Gerade in Europa ist der Vertrag umstritten.

Ein Hauptargument der Gegner: Durch das Abkommen gäbe es mehr Anreize zur Ausweitung der Landwirtschaft und damit zur Abholzung des Regenwalds. Befürworter argumentieren, nur so könne man auf verbindliche Regeln dringen und Einfluss nehmen.

Internationale Sicherheit und Diplomatie

Bolsonaro hat Brasilien auf der Weltbühne weitgehend isoliert. Durch seine Blockade beim Klimaschutz, seine eigenwillige Corona-Politik und vulgäre Ausfälle stieß er viele vor den Kopf. Zudem reiste er kaum ins Ausland - auch wenn er kurz vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in Moskau auftauchte. Dabei war Brasilien vor wenigen Jahren international noch eine aufstrebende Kraft.

Unter Lula galt es als Meinungsführer in der Region, gab Lateinamerika im Schwellenländerclub Brics und den G20 eine Stimme. Zudem war es wichtiger Truppensteller für UN-Friedensmissionen. Truppenstärke und Budgets wurden zuletzt aber immer mehr gekürzt. Vergangenes Jahr war Brasilien erstmals seit 2004 an keiner UN-Mission mehr beteiligt.

© dpa-infocom, dpa:221030-99-314915/2