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Baerbock würdigt Karlspreis-Trägerinnen aus Belarus

Eine sitzt im Gefängnis, zwei müssen im Exil leben: Das sagt viel über die Karlspreisträgerinnen des Jahres 2022. Außenministerin Baerbock würdigt die Frauen mit einer emotionalen Rede.

Karlspreis-Verleihung
Annalena Baerbock (vorn) auf der Bühne mit Swetlana Tichanowskaja (M.), Veronika Zepkalo (2.v.r.) und Tatsiana Khomich (l), die stellvertretend für ihre Schwester M. Kolesnikowa den Preis entgegennahm. Foto: Bernd Thissen
Annalena Baerbock (vorn) auf der Bühne mit Swetlana Tichanowskaja (M.), Veronika Zepkalo (2.v.r.) und Tatsiana Khomich (l), die stellvertretend für ihre Schwester M. Kolesnikowa den Preis entgegennahm.
Foto: Bernd Thissen

Drei prominente Bürgerrechtlerinnen aus dem autoritär regierten Belarus haben in Aachen den diesjährigen Karlspreis erhalten. Damit wurde der Einsatz von Swetlana Tichanowskaja, Veronika Zepkalo und Maria Kolesnikowa für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit geehrt.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) würdigte das Trio am Donnerstag als »mutigste Frauen Europas«. Tichanowskaja und Zepkalo, die inzwischen im Exil leben, waren in Aachen selbst dabei. Kolesnikowa, die in ihrer Heimat eine elfjährige Haftstrafe verbüßt, wurde von ihrer Schwester vertreten.

Baerbock bezeichnete die Bürgerrechtlerinnen in ihrer Laudatio als Vorbild für Millionen Frauen in ganz Europa. Kolesnikowas Inhaftierung nannte sie eine »himmelschreiende Ungerechtigkeit«. Alle drei zahlten einen hohen Preis für ihr Streben nach Demokratie. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte in einem Brief den Mut der neuen Preisträgerinnen. Kolesnikowas Schwester Tatjana Chomitsch hielt während der gesamten Zeremonie ein Foto der Inhaftierten in die Höhe.

Einstehen für europäische Idee

Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen (parteilos) sagte, die drei Frauen träten mit unzähligen anderen Menschen in Belarus für das ein, was den Kern der europäischen Idee ausmache: Menschenrechte, Frieden und Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Solidarität. Sie seien »ein Licht in dunklen Zeiten«. Der Karlspreis wird seit 1950 für Verdienste um Europa und die europäische Einigung verliehen. Namensgeber ist Karl der Große. Der Preis ist mit einer Medaille und einer Urkunde verbunden. Geld gibt es keines.

Die Preisverleihung stand im Zeichen des russischen Kriegs gegen die Ukraine, ein Nachbarland von Belarus. Oppositionsführerin Tichanowskaja wies auf die Bedeutung der Einigkeit Europas mit Blick auf den Frieden in der Ukraine und die Demokratie in Belarus hin. Diktatoren versuchten, den Westen zu spalten. Nach der Zeremonie nahmen Baerbock mit den Preisträgerinnen an einer Kundgebung »Karlspreis für den Frieden« teil. Dabei formierte sich die Menge zu einem Peace-Zeichen.

Baerbock warf dem seit mehr als einem Vierteljahrhundert regierenden Machthaber Lukaschenko vor, Russlands Krieg in der Ukraine zu unterstützen. »Damit stellen sich das russische und belarussische Regime mit menschenverachtendem Zynismus gegen all das, was uns in Europa ausmacht, all das, wofür Ihr drei, kämpft: Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte.«

Hunderte politische Gefangene in Belarus

In Belarus (früher: Weißrussland) ist es zwei Jahre nach den Protesten gegen Lukaschenko um Demokratie und Menschenrechte schlechter bestellt denn je. Die Ex-Sowjetrepublik hat gerade die Anwendung der Todesstrafe ausgeweitet. Künftig reicht der Vorwurf eines versuchten Terroranschlags für ein Todesurteil. Mehr als 1100 politische Gefangene sitzen in Haft.

Zumeist handelt es sich um Demonstranten, die nach der international nicht anerkannten Wahl 2020, als sich Lukaschenko zum sechsten Mal in Folge zum Staatsoberhaupt küren ließ, friedlich auf die Straße gingen. Tichanowskaja war anstelle ihres im Wahlkampf verhafteten Mann angetreten. Dann verließ sie ihr Land ins Exil.

Der 67-jährige Lukaschenko konnte sich damals nur mit russischer Hilfe an der Macht halten. Als Gegenleistung musste er eine noch engere Bindung an den großen Nachbarn im Osten akzeptieren. Außenpolitisch ist Minsk völlig isoliert - nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, der teilweise von belarussischem Gebiet aus erfolgte, umso mehr.

© dpa-infocom, dpa:220526-99-441207/3