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Aktuell Klimawandel

Arme Staaten ziehen bittere Klima-Bilanz: »Nichts erreicht«

Schon jetzt hat sich die Erde um rund ein Grad erwärmt, die Ozeanspiegel steigen und bedrohen Inselstaaten in ihrer Existenz. Seit einem Vierteljahrhundert wird auf UN-Klimakonferenzen nach einer Lösung gesucht. Doch die Wende bleibt aus. Da packt manche die Wut.

Hilfeschrei
Hilfeschrei: Mohamed Nasheed, damals Präsident der Malediven, bei der weltweit ersten Unterwasser-Kabinettssitzung einer Regierung im Jahr 2009. Foto: epa
Hilfeschrei: Mohamed Nasheed, damals Präsident der Malediven, bei der weltweit ersten Unterwasser-Kabinettssitzung einer Regierung im Jahr 2009. Foto: epa

Kattowitz (dpa) - Der Ex-Präsident des vom Untergang im Ozean bedrohten Inselstaats Malediven zieht eine vernichtende Bilanz der seit einem Vierteljahrhundert laufenden Weltklimakonferenzen.

»Nichts haben wir erreicht«, sagte Mohamed Nasheed beui der UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz (Katowice) mit Blick auf die voranschreitende Erderhitzung. »Der Kohlendioxidausstoß steigt und steigt und steigt. Und wir reden, reden und reden.«

Atemmasken
Schals und Atemmasken gehören in Peking mittlerweile zum Stadtbild. Foto: Ole Spata/Archiv
Schals und Atemmasken gehören in Peking mittlerweile zum Stadtbild. Foto: Ole Spata/Archiv

Der Gipfel der fast 200 Staaten soll an diesem Freitag enden. Auch nach elf Tagen sind zentrale politische Streitpunkte ungelöst. Das Verhandlungsteam der Bundesregierung äußerte sich dennoch vorsichtig optimistisch.

Ziel ist ein Regelwerk für die praktische Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015. Damals wurde vereinbart, dass die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad begrenzt werden soll, möglichst sogar auf 1,5 Grad. Die zugesagten Maßnahmen der Staaten reichen dafür aber bei weitem nicht aus.

Great Barrier Reef
Die hohen Wassertemperaturen haben die Korallenbleiche verstärkt. Foto: Great Barrier Reef Marine Park/Great Barrier Reef Marine Park Authority
Die hohen Wassertemperaturen haben die Korallenbleiche verstärkt. Foto: Great Barrier Reef Marine Park/Great Barrier Reef Marine Park Authority

Nasheed sagte, moralische Appelle an die reichen Industriestaaten, ihren Ausstoß von Treibhausgasen zu drücken, halte er inzwischen für nutzlos. »Sie hören nicht zu.« Die jährlichen Klimakonferenzen kosteten inzwischen mehr als 75 Millionen Dollar, doch Fortschritte gebe es quasi keine.

Stattdessen regte er an, einen weltweiten Wettlauf der Staaten anzustoßen, wer es schaffe, am meisten Investitionen in erneuerbare, saubere Energie zu lenken. Damit würden Industrien, die auf Kohle, Öl und Gas fußen, von allein unwirtschaftlich.

Smog in Peking
Nach Analysen von Fossilien schätzen Wissenschaftler, dass es eine so hohe CO2-Konzentration wie heute zuletzt vor drei bis fünf Millionen Jahren gab. Foto: Andy Wong
Nach Analysen von Fossilien schätzen Wissenschaftler, dass es eine so hohe CO2-Konzentration wie heute zuletzt vor drei bis fünf Millionen Jahren gab. Foto: Andy Wong

Auch Deutschland ringt derzeit darum, wie schnell die klimaschädlichen Kohlekraftwerke abgeschaltet werden sollen. Sorgenkind ist auch der Verkehr hierzulande, wo die Emissionen im Vergleich zu 1990 nicht gesunken, sondern sogar gestiegen sind.

Der Sprecher der Gruppe der ärmsten Staaten, der Äthiopier Gebru Jember Endalew, verwies darauf, dass in seinem Land in Folge der Erderwärmung oft monatelang kein Regen falle und die Felder austrockneten. Seine Bürger stünden an der »Front« des Klimawandels. »Wir bezahlen das mit Menschenleben«, sagte Endalew. »Es geht um unsere Gesundheit, unser Eigentum, unsere Zukunft.« Die Folgen des Stillstands beim Klimaschutz trügen die verletzlichsten Staaten, die am wenigsten zur Erderhitzung beigetragen hätten.

Flut in Tuvalu
Kinder spielen auf einem vom Meerwasser überflutetem Platz in Funafuti, der Hauptstadt des pazifischen Inselstaats Tuvalu. Foto: Kyodo
Kinder spielen auf einem vom Meerwasser überflutetem Platz in Funafuti, der Hauptstadt des pazifischen Inselstaats Tuvalu. Foto: Kyodo

Die Jahre 2015 bis 2018 waren nach Analysen der Weltwetterorganisation die vier wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert. Und die 20 wärmsten lagen in den vergangenen 22 Jahren. Macht die Welt weiter wie bisher, leben wir Ende dieses Jahrhunderts wohl in einer drei bis vier Grad wärmeren Welt. Die fatalen Folge je nach Region: mehr Hitzewellen, längere Dürren sowie mehr Stürme, Starkregen und Hochwasser.

Eisbär
Wie lange hält das Eis noch? Ein Eisbär in der Meerenge Victoria Strait im nördlichen Kanada. Foto: David Goldman
Wie lange hält das Eis noch? Ein Eisbär in der Meerenge Victoria Strait im nördlichen Kanada. Foto: David Goldman

Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan verlangte, alle Staaten müssten nach den dramatischen Warnungen der Wissenschaft schnellstmöglich ihre Treibhausgas-Emissionen drastisch herunterfahren. »Die Existenz der Menschheit steht auf dem Spiel.« Keiner könne sich vor den Folgen des Klimawandels verstecken.

Der Umweltminister der Marshall-Inseln, David Paul, sagte, die Menschheit sei eine Familie. Es habe schon zu viele fruchtlose Verhandlungen über den Kampf gegen die Erderhitzung gegeben. »Wir haben keine Zeit mehr.« Seine Nation stehe vor der Auslöschung.

Ein Konflikt auf der Konferenz ist, dass die ärmeren und vom Klimawandel besonders betroffenen Staaten verlässliche und längerfristige Finanzzusagen wollen. Zudem fordern sie eine deutliche Anerkennung der Schäden, die Klimawandel-Folgen wie Hitze, Dürre oder Überschwemmungen anrichten.

Informationen zur Klimakonferenz