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Apple-Uhr soll Ermordung Chaschukdschis aufgezeichnet haben

Nahm der verschwundene saudische Journalist Chaschukdschi seine eigene Exekution mit einer Computer-Uhr auf?

Saudi-arabisches Konsulat
Sicherheitsmitarbeiter stehen vor dem Eingang des saudi-arabischen Konsulats in Istanbul. Petros Giannakouris/AP Foto: Petros Giannakouris
Sicherheitsmitarbeiter stehen vor dem Eingang des saudi-arabischen Konsulats in Istanbul. Petros Giannakouris/AP Foto: Petros Giannakouris

ISTANBUL. Im Fall des verschwundenen regierungskritischen Journalisten Dschamal Chaschukdschi sind weitere Details wie aus einem Agentenroman aufgetaucht.

Die regierungsnahe türkische Zeitung »Sabah« berichtete am Samstag, dass Chaschukdschi seine eigene Exekution mit einer Computer-Uhr des Herstellers Apple aufgezeichnet habe. »Die Momente, in denen sich das Attentäter-Team mit Chaschukdschi beschäftigt hat, wurden Minute für Minute aufgezeichnet«, schreiben die Autoren. Befragung, Folter, Mord - alles sei für den Geheimdienst aus dem Speicher abrufbar gewesen.

»Sabah« zufolge hat Chaschukdschi noch vor Betreten des saudi-arabischen Konsulats am 2. Oktober eine Aufnahmefunktion an seiner Apple Watch eingeschaltet. Sein Handy, das er seiner vor dem Konsulat wartenden Verlobten gegeben habe, sei mit der Uhr an seinem Handgelenk synchronisiert gewesen. So seien die Geräusche während seiner Exekution in dem Speichermedium iCloud gesichert worden. »Sabah« beruft sich auf »vertrauenswürdige Quellen«.

Der Artikel liefert zumindest eine konkrete Erklärung auf die Frage, woher die Informationen stammen könnten, die seit Tagen scheibchenweise und unter Verweis auf anonyme türkische Regierungsquellen in Medien auftauchen. Immer öfter tauchte dabei die Vermutung auf, dass die Türkei das Konsulat mit Abhörgeräten ausspioniert hatte. Die Apple-Uhr als Quelle der Daten würde die Türkei da entlasten.

Experten zogen die Darstellung der Zeitung, die ein Sprachrohr der türkischen Regierung ist, im Lauf des Samstags allerdings in Zweifel. Ein Geheimdienstexperte des Fernsehsenders CNN, Robert Baer, sagte, die Apple-Uhr habe über die Distanz mit Bluetooth allein die Verbindung zum Mobiltelefon nicht halten können. Andere Experten sagen, Chaschukdschi könnte zwar auch eine Version der Apple Watch getragen haben, die direkt ins Mobilfunknetz geht und Daten ohne den Umweg über das iPhone oder ein WLAN übermittelt. Auf einem Foto von Mai, das der Technologie-Blog »TechCrunch« fand, ist er mit so einer Uhr zu sehen. Allerdings gibt es derzeit keine türkischen Mobilfunk-Anbieter, die diese Funktion unterstützen.

»Ich denke, was ist passiert ist, ganz klar, ist, dass die Türken das saudische Konsulat verwanzt haben - sie haben Übertragungsgeräte«, sagte Sicherheitsexperte Baer. Das sei vermutlich, wie sie von der Tat wüssten. Und weshalb sie außerdem zögerten, es zuzugeben.

Eine weitere Erklärung für die Hinhaltetaktik der türkischen Regierung könnte in der verzweifelten wirtschaftlichen Lage der Türkei liegen, wo die Lira massiv an Wert verloren hat und die Inflation rasant wächst. Ein Regierungsmitarbeiter, der anonym bleiben wollte, deutete vor dem Wochenende an, die Informationen seien ja auch so etwas wie »Verhandlungsmasse« mit Saudi-Arabien. Einige Berater seien dafür, die Situation zu nutzen, um sich Garantien für saudische Investitionen zu sichern.

Die »New York Times« wiederum mutmaßte in der Nacht, dass türkische Regierungsvertreter »ohne Druck von den Vereinigten Staaten, einem wichtigen Alliierten Saudi-Arabiens«, besorgt seien, dass sie nicht genug Einfluss hätten, »um die Saudis dazu zu bringen, zuzugeben, was sich im Konsulat abgespielt hat«. Das Blatt zitiert einen hohen türkischen Beamten mit der Forderung, dass letztlich die USA aktiv werden müssten. »Der Ball ist in Trumps Feld.«

Der US-Präsident steckt in der Zwickmühle, denn er gibt viel auf seine Allianz mit Saudi-Arabien. Der junge saudische Kronprinz Mohammed bin Salman pflegt besonders enge Beziehungen zu Trumps Berater und Schwiegersohn Jared Kushner. Aber auch Trump wird langsam schärfer. In einem Interview, das am Sonntag in der bekannten Sendung »60 Minuten« gezeigt werden soll, droht er laut dem Polit-Blog »The Hill« »schwere Strafen« an, sollte sich erweisen, dass Saudi-Arabien hinter dem Verschwinden des Journalisten steckt.

Saudi-Arabien hatte vor Erscheinen des »Sabah«-Berichts am Samstagmorgen jegliche Mitschuld am Verschwinden von Chaschukdschi bestritten. Es sei eine »Lüge« zu behaupten, die Führung in Riad habe den Journalisten ermorden lassen, hieß es aus dem Innenministerium in einer Serie von Tweets.

International steigt der Druck auf das Land weiter. Zahlreiche Regierungen forderten in den vergangenen Tagen Aufklärung, darunter am Freitag auch die Bundesregierung. Auf die Frage, ob wegen des Falles nun vorerst keine Rüstungsexporte mehr nach Saudi-Arabien genehmigt würden, hatte Regierungssprecher Steffen Seibert geantwortet, das seien »zwei Dinge, die nicht miteinander verbunden sind«.

Der Nahost-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik kritisierte das am Samstag. Die Ankündigung, die Waffenexporte nach Saudi-Arabien nicht davon abhängig zu machen, sei für Riad das Signal, dass man sich alles erlauben könne, sagte er.

Westliche Firmen beginnen damit, sich von dem Land zu distanzieren. Vor einer internationalen Investmentkonferenz, die in zehn Tagen in Saudi-Arabien beginnt, haben zahlreiche amerikanische Medienunternehmen und Personen ihre Teilnahme schon abgesagt. CNN, die »Financial Times«, die Finanzagentur Bloomberg und der Fernsehsender CNBC teilten mit, dass sie weder teilnehmen würden noch als Medienpartner zur Verfügung stünden.

Chaschukdschi hatte am 2. Oktober das saudische Konsulat in Istanbul betreten, um Papiere für seine geplante Hochzeit mit einer Türkin abzuholen. Seither wird der Journalist vermisst. Er schrieb in westlichen Medien wie der »Washington Post« unter dem Namen Jamal Khashoggi.