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AfD pocht in Karlsruhe auf Zuschüsse für parteinahe Stiftung

Die anderen Parteien wollen verhindern, dass die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung Millionen aus dem Bundeshaushalt bekommt. Ein Problem: Die Förderung ist nirgendwo so richtig geregelt.

Bundesverfassungsgericht
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eröffnet die mündliche Verhandlung über staatliche Fördergelder für die Desiderius-Erasmus-Stiftung. Foto: Uli Deck
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eröffnet die mündliche Verhandlung über staatliche Fördergelder für die Desiderius-Erasmus-Stiftung.
Foto: Uli Deck

Die AfD pocht vor dem Bundesverfassungsgericht auf staatliche Fördergelder in Millionenhöhe für die ihr nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES). Diese werde seit Jahren in einem parlamentarisch-demokratisch sehr misslichen Prozess benachteiligt, sagte der stellvertretende Bundessprecher Peter Boehringer in Karlsruhe unmittelbar vor Verhandlungsauftakt. »Und damit wird indirekt natürlich auch die sie tragende Partei benachteiligt.«

Bisher bekommen nur die anderen sechs parteinahen Stiftungen sogenannte Globalzuschüsse aus dem Haushalt des Bundesinnenministeriums - in diesem Jahr insgesamt 148 Millionen Euro. Hinzu kommen noch beträchtliche Mittel aus den Etats anderer Ministerien für bestimmte Aufgaben, etwa die Auslandsarbeit.

Die Bedingungen der Förderung sind nicht gesetzlich geregelt. Nach einem Karlsruher Urteil von 1986 muss aber sichergestellt sein, dass »alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland angemessen berücksichtigt« werden.

Ändert neuer Haushaltsvermerk etwas an der Sachlage?

Das Kriterium der Dauerhaftigkeit wird in der Praxis daran festgemacht, dass eine Partei zweimal in Folge im Bundestag vertreten ist. Die AfD war 2021 zum zweiten Mal nach 2017 in den Bundestag eingezogen. Die Erasmus-Stiftung bekommt aber nach wie vor kein Geld. Im Haushaltsgesetz für 2022 steht ein neuer Passus, wonach keine Globalzuschüsse gewährt werden dürfen, »wenn begründete Zweifel an der Verfassungstreue von Organen oder Beschäftigten bestehen«.

Ob sich der Zweite Senat in seinem Urteil bereits zu diesem Kriterium äußern wird, ließ die Vorsitzende Doris König offen. Die AfD hatte das Verfahren schon 2019 angestrengt und ihre Anträge später mehrfach auf neue Haushaltsjahre erweitert - zuletzt im Oktober. Die Vertreterin des Deutschen Bundestags, Sophie Schönberger, sagte, durch den Wiedereinzug der AfD in den Bundestag und den neuen Haushaltsvermerk habe sich die Sachlage grundlegend geändert, und man habe so kurzfristig keine Chance mehr gehabt, sich dem Gericht gegenüber zu den jüngsten Anträgen zu äußern. In der Verhandlung wurde der Punkt daher weitgehend ausgespart.

AfD-Anwalt Ulrich Vosgerau entgegnete, der Vermerk sei »evident verfassungswidrig« und spiele für die Ansprüche der Stiftung überhaupt keine Rolle. Diese würden immer unabweislicher. »Wenn wir uns in einem Jahr wiedersehen wollen, können wir das gerne machen.«

Die DES-Vorsitzende Erika Steinbach sagte, durch die Verweigerung der Mittel werde ihre Stiftung an »konservativer Bildungsarbeit« gehindert. Derzeit seien maximal 50 Veranstaltungen im Jahr möglich, es könnten keine Stipendien vergeben und kein Parteiarchiv aufgebaut werden. Das schädige natürlich auch die AfD. Dabei vermittle die Stiftung »garantiert auf gar keinen Fall« verfassungsfeindliches, antisemitisches und menschenverachtendes Gedankengut oder Rassismus. Die langjährige CDU-Politikerin und frühere Präsidentin des Bundes der Vertriebenen ist inzwischen in die AfD eingetreten.

Gesetzliche Regelung: »Was soll da drinstehen?«

In seinem Urteil von 1986 hatte das Verfassungsgericht offengelassen, ob es für die Vergabe der Zuschüsse eine gesetzliche Grundlage braucht. Nun könnte es möglicherweise eine entsprechende Vorgabe aus Karlsruhe geben. Richter Peter Müller, der für das Verfahren zuständige Berichterstatter, hinterfragte außerdem sehr kritisch, ob sich die Dauerhaftigkeit einer politischen Grundströmung wirklich allein am Wiedereinzug in den Bundestag festmachen lasse. Was sei zum Beispiel mit den Europawahlen? Und was, wenn eine Partei nicht bundesweit, aber in bestimmten Regionen sehr stark sei?

Die FDP-Bundestagsfraktion ist für ein Gesetz. »Es darf kein Geld aus Bundesmitteln dazu verwendet werden, rechte Kaderschmieden zu fördern«, sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Stephan Thomae dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ein Stiftungsgesetz mit festen Kriterien solle »die Arbeit der politischen Stiftungen nachprüfbar an die freiheitlich-demokratische Grundordnung binden«.

Der Parlamentsgeschäftsführer der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, sagte in Karlsruhe, seine Partei sei nicht gegen eine gesetzliche Regelung. Entscheidend sei aber die Frage: »Was soll da drinstehen? Mit welchen Kriterien können wir hier agieren, um zu verhindern, dass Demokratiefeinde Steuermittel bekommen?« Hierzu erhoffe man sich Hinweise aus dem Urteil der Verfassungsrichter. Die Entscheidung wird frühestens in einigen Monaten verkündet. (Az. 2 BvE 3/19)

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