Österreich will in den anstehenden Verhandlungen für eine Reform der Regeln im Schengen-Raum durchsetzen, dass an den EU-Binnengrenzen temporäre Kontrollen möglich bleiben.
Solche Kontrollen müssten »im Bedarfsfall« auch künftig erlaubt sein, sagte Innenminister Gerhard Karner beim Europäischen Polizeikongress in Berlin. Die Staaten des Schengen-Raums bräuchten einen »robusten Außengrenzschutz« - »damit wir eben auch in Zukunft die Reisefreiheit auf unserem Kontinent auch garantieren können«.
Karner gab zudem bekannt, dass die Kontrollen an Österreichs Grenzen zu Ungarn und Slowenien noch mindestens ein halbes Jahr dauern werden. Es gehe darum, Schlepper zu stoppen, die im Schatten des Ukraine-Kriegs mit offenen Grenzen in Europa werben. Deutschland lässt seit 2015 an der Grenze zwischen Bayern und Österreich wieder kontrollieren. Die Regelung wurde auf Anweisung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bis November verlängert.
Mehrere Staaten nutzen Ausnahmeregelung
Eigentlich gibt es im Schengen-Raum aus 26 europäischen Ländern keine stationären Personenkontrollen an den Grenzen. In den vergangenen Jahren nutzten aber mehrere Staaten eine Ausnahmeregelung und führten wieder Kontrollen ein. Deutschland kontrolliert seit Herbst 2015 an der Grenze zu Österreich. Damals hatten sich Zehntausende Flüchtlinge und andere Migranten von Griechenland über die Balkan-Route auf den Weg nach Westeuropa gemacht.
Die EU-Kommission schlug im Dezember eine Reform vor. Im Gespräch ist, dass betroffene Nachbarstaaten vorab konsultiert werden sollen. Dem Vernehmen nach gibt es auch in der Bundesregierung den Wunsch nach mehr Abstimmung, vor allem seitens des Auswärtigen Amtes. Bislang werden Binnengrenzkontrollen im Innenministerium beschlossen, in der Regel nach Gesprächen mit den betroffenen Bundesländern.
EuGH: Keine Standard-Kontrollen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im April entschieden, dass Staaten solche Kontrollen nur im Fall »einer neuen ernsthaften Bedrohung seiner öffentlichen Ordnung oder seiner inneren Sicherheit« verlängern dürfen. Im konkreten Fall ging es um die Praxis an der Grenze zwischen Österreich und Slowenien.
Faeser verwies zur Begründung der Kontrollen auf eine »fragile Lage an der türkisch-griechischen Grenze, illegales Migrationspotential entlang der Balkan-Route und über die zentralmediterrane Route«, sowie »erhebliche illegale Sekundärmigration«. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der fluchtpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger, hervor. Die Prüfung etwaiger Auswirkungen des Urteils des EuGH dauere noch an.
Bünger plädierte für eine sofortige Beendigung dieser Kontrollen. »Wenn es der Bundesregierung um die Verhinderung unerwünschter Weiterwanderung von Geflüchteten in der EU geht, dann sollte sie sich für ein gerechtes und solidarisches EU-Asylsystem einsetzen.« Sie könne nicht verstehen, weshalb Faeser »an der Politik und irrigen Rechtsauffassung« ihres Amtsvorgängers Horst Seehofer (CSU) festhalte.
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