Bei Anruf Krankschreibung - was bis Ende Mai wegen Corona möglich war, sollte nach dem Willen von Ärztevertretern für bestimmte Patienten dauerhaft möglich sein. »Wir wollen ermöglichen, dass die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte unabhängig von der Corona-Pandemie bekannte Patientinnen und Patienten telefonisch krankschreiben können«, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Stephan Hofmeister, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) steht der Forderung aufgeschlossen gegenüber.
Der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, nannte es angesichts zahlreicher Fälle von Erkältungs- und Corona-Erkrankungen »ein echtes Ärgernis«, dass die Möglichkeit zur telefonischen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (AU) nicht in die Regelversorgung übernommen worden sei. »Die Telefon-AU würde für eine echte Entlastung sorgen«, sagte Weigeldt der dpa.
Lauterbach ist aufgeschlossen
Gesundheitsminister Lauterbach nannte eine Rückkehr zur telefonischen Krankenschreibung richtig. Sie solle bald beschlossen werden. Vorgespräche dazu liefen. »Bei den hohen Covid-Fallzahlen brauchen wir nicht die Infektionen in die Praxis zu tragen«, betonte der Minister auf Twitter.
Seit dem 1. Juni müssen Patienten für eine Krankschreibung wieder in die Praxis oder in eine Videosprechstunde gehen. Bei leichten Erkrankungen der oberen Atemwege hatte während der Corona-Pandemie bis 31. Mai gegolten, dass dies für bis zu sieben Tage auch nach nur telefonischer Rücksprache möglich war.
Entschieden wird über solche Regelungen im Gemeinsamen Bundesausschuss des Gesundheitswesens (G-BA). Das Gremium ist mit Vertretern der Ärzteschaft, der Krankenkassen und der Krankenhäuser besetzt und entscheidet über die Leistungen der gesetzlichen Kassen und Regeln wie bei der Krankschreibung.
Nach Angaben einer G-BA-Sprecherin ist eine Rückkehr zur Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung möglich. In dem Gremium sei im Frühjahr intensiv diskutiert worden, »ob es richtig ist, die bisherigen Sonderreglungen zur telefonischen Krankschreibung Ende Mai 2022 vorerst auslaufen zu lassen«, sagte sie der dpa. Alle Träger des G-BA und damit auch die KBV als Vertretung der Ärzteschaft seien sich damals einig gewesen, dass solche Sonderregeln wegen des damals ruhigeren Pandemie-Geschehens zurückgenommen werden konnten. Dies sei im Einklang mit Alltagslockerungen erfolgt.
»Sollte die Corona-Pandemie erneut stark an Fahrt gewinnen, kann der Gemeinsame Bundesausschuss seine Sonderregelungen (...) wieder aktivieren«, sagte die Sprecherin. Dies könne in bestimmten Regionen oder bei Bedarf auch bundesweit geschehen. Dafür müsste unter anderem ein Antrag beim Ausschuss gestellt werden. Dieser könnte laut der G-BA-Sprecherin unter anderem von den Trägern des Ausschusses kommen, etwa der KBV.
Kassenärzte: Möglichkeit könnte Praxen entlasten
Diese hat dort nach eigenen Angaben bereits einen Vorschlag für die dauerhafte telefonische Krankschreibung eingebracht. Demnach wünschen sich die Kassenärztevertreter diese Möglichkeit »sowohl bei Infekten als auch bei anderen Erkrankungen für bis zu sieben Tage«, sofern ein Arztbesuch »nicht unbedingt notwendig« ist. Dies würde die Arztpraxen dauerhaft entlasten, hieß es zur Begründung. Aktuell seien sie voll wegen Infekten und Covid-19-Erkrankungen.
Weigeldt sagte: »Nicht immer ist eine persönliche Konsultation mit der Hausärztin oder dem Hausarzt zwingend erforderlich, beispielsweise bei einem einfachen grippalen Infekt oder auch bei einem milden Corona-Verlauf.« Beide Seiten würden sich in der Regel seit Langem kennen, sagte Weigeldt. Missbrauch sei sehr selten. »Stattdessen werden die Patientinnen und Patienten nun wieder gezwungen, sich krank in die Praxen zu schleppen, ohne dass das medizinisch zwingend notwendig ist.«
GKV: Kein tagesaktueller Handlungsbedarf
Die ebenfalls im G-BA vertretenen gesetzlichen Krankenkassen sehen momentan keinen Anlass, zur telefonischen Krankschreibung zurückzukehren. Diese habe während der Hochphase der Pandemie geholfen »und könnte dies, je nach Entwicklung des Pandemiegeschehens, gegebenenfalls wieder leisten«, sagte der Sprecher des Spitzenverbandes der Kassen (GKV), Florian Lanz, auf Anfrage. »Vor dem Hintergrund der steigenden Inzidenzen beobachten wir die Entwicklung sorgfältig, sehen jedoch keinen tagesaktuellen Handlungsbedarf«, sagte er.
Derzeit ist laut Robert Koch-Institut eine starke Zunahme an Corona-Infektionsfällen zu beobachten. Es dominiert die Omikron-Sublinie BA.5. Zudem zeigen Daten und Einschätzungen aus der Ärzte- und Apothekerschaft, dass es für die Jahreszeit ungewöhnlich viele Atemwegsinfekte in Deutschland gibt.
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