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Ärzte: Andrang auf Kinder-Impfungen

Die Corona-Impfungen in Deutschland haben zuletzt an Tempo verloren - doch unter Jugendlichen zieht das Interesse vielerorts an. Die Kanzlerin appelliert weiter an alle Bundesbürger, sich zu schützen.

Coronavirus - Impfung
Foto: Sebastian Gollnow/dpa Foto: Sebastian Gollnow
Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Foto: Sebastian Gollnow

BERLIN/MARBURG. Nach dem Votum der Ständigen Impfkommission (Stiko) für Corona-Impfungen bei allen Kindern ab 12 Jahren ist die Nachfrage in vielen Praxen sprunghaft gestiegen.

»Das ging sofort am Montag los«, sagte Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Der Andrang sei groß, generell sei aber genug Impfstoff da. Zu Impfaktionen direkt an Schulen gibt es unter Lehrerorganisationen verschiedene Einschätzungen. Für die meisten schon geimpften Menschen dürfte aus Sicht des Virologen Christian Drosten im Herbst keine Auffrischungsimpfung nötig sein. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rief erneut dazu auf, Impfungen wahrzunehmen.

Merkel bittet alle, sich impfen zu lassen

Merkel sagte bei einem Besuch im Werk des Herstellers Biontech in Marburg, sie möchte alle bitten, die noch nicht geimpft sind: »Wir hatten monatelang zu wenig Impfstoff. Jetzt sind wir in der ganz außergewöhnlichen Lage, und viele Länder auf der Welt sind das nicht, dass wir genug Impfstoff haben, dass wir uns schützen können. Und dass wir auch andere schützen können.« Gerade angesichts steigender Infektionszahlen zeige sich die Bedeutung eines solchen Impfstoffes.

Vollständig geimpft sind laut Bundesgesundheitsministerium nun 48,4 Millionen Menschen oder 58,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Mindestens eine erste Impfung haben 52,9 Millionen Menschen oder 63,7 Prozent aller Einwohner. Minister Jens Spahn (CDU) hob den generellen Impffortschritt hervor. Mehr als 71 Prozent der Personen in Deutschland, für die ein Impfstoff zugelassen und von Stiko empfohlen sei, hätten damit bereits mindestens eine Impfung erhalten.

Impfungen für 12- bis 17-Jährige empfohlen

Die unabhängige Kommission hatte sich nach wochenlanger Prüfung am Montag für die Impfung aller Kinder und Jugendlichen von 12 bis 17 Jahren ausgesprochen. Zuvor galt die Empfehlung des Gremiums nur eingeschränkt für chronisch kranke Kinder und Teenager, Impfungen waren aber nach ärztlicher Beratung schon auch für alle möglich. Laut Robert Koch-Institut (RKI) haben inzwischen 25,7 Prozent aller 12- bis 17-Jährigen mindestens eine Impfung, vollständig geimpft sind 16,5 Prozent. Für Kinder unter 12 ist noch kein Impfstoff zugelassen.

Nun legten Eltern bei Terminbuchungen für ihre Kinder verstärkt los. Auf die medizinische Empfehlung der Impfkommission hätten viele gewartet, sagte Verbandssprecher Maske. Das politische Drängen zuvor habe manchmal eher Skepsis und Verunsicherung erzeugt. Motive von Eltern für die Impfung ihrer Kinder seien neben dem Gesundheitsschutz auch die Sorge vor einer Ausgrenzung nicht geimpfter Kinder in der Schule. Darüber hinaus wollten manche Eltern neue Schulschließungen durch möglichst viele immunisierte Kinder verhindern.

Kritik an Impfungen direkt an den Schulen

Der Verband Bildung und Erziehung äußerte sich kritisch zu Impfungen direkt an Schulen. Es sei unbedingt notwendig, dass Kinder mit ihren Eltern und nach eingehender Beratung durch den Kinder- oder Hausarzt eine informierte Entscheidung treffen, sagte der Vorsitzende Udo Beckmann. »Ob dies einzulösen ist, wenn die Impfung in Impfmobilen vor der Schule erfolgt, halten wir für fraglich.« Er warnte auch vor möglichen Konflikten, wenn Eltern oder Jugendliche, die gegen eine Impfung sind, sich durch präsente Impfteams bedrängt sähen. Die Impfempfehlung für Kinder ab 12 wird vom Verband generell begrüßt.

Der Chef des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstag): »Alles, was die Sicherheit an Schulen schnell erhöht, ist gut.« Er wandte sich gegen Befürchtungen, dass dadurch Konflikte in Schulen getragen und ein Gruppendruck auf nichtimpfwillige Schüler ausgeübt werden könnte. Es gebe durchaus Möglichkeiten, Impfungen so zu organisieren, dass der Schulbetrieb kaum tangiert und die notwendige Anonymität und Freiwilligkeit absolut gewahrt würden.

Für die meisten schon Geimpften wird nach Überzeugung des Virologen Drosten im Herbst keine Auffrischung nötig sein. »Die Schutzwirkung der Corona-Vakzinen ist viel besser als beispielsweise bei den Influenza-Impfstoffen«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Bei bestimmten Gruppen hält er eine Auffrischung aber durchaus für sinnvoll. »Nach einem halben Jahr geht das über die Impfung erworbene Antikörper-Level vor allem bei sehr alten Menschen deutlich runter.« In Umfeldern wie Seniorenheimen sei eine Auffrischung daher denkbar. »In diesem Herbst kommt es aber darauf an, überhaupt erst einmal die Impflücken bei den über 60-Jährigen zu schließen.« (dpa)