Für Booster-Impfungen will die Ständige Impfkommission (Stiko) laut Gremiumsmitglied Christian Bogdan vorzugsweise den Einsatz der neuen, an Omikron angepassten Präparate empfehlen. An den bisherigen Kriterien für die Gabe von ersten und zweiten Auffrischimpfungen soll sich zunächst nichts ändern, wie der Wissenschaftler vom Universitätsklinikum Erlangen ankündigte.
Das bedeutet, dass zum Beispiel Viertimpfungen nach Auffassung des Gremiums weiterhin nur für bestimmte Gruppen als nötig erachtet werden, wie etwa Menschen ab 60 Jahren und Bewohner von Pflegeheimen.
Offizielle Mitteilung wird erwartet
Noch im Laufe des (heutigen) Dienstags sollte eine offizielle Mitteilung zum Entwurf der Impfempfehlung erscheinen, wie das Informations-Netzwerk Science Media Center (SMC) ankündigte. Es wird sich somit noch nicht um eine finale Stiko-Empfehlung handeln. Änderungen sind noch möglich.
In den vergangenen Wochen sind in der Europäischen Union mehrere fortentwickelte Corona-Impfstoffe zugelassen worden. Sie tragen der seit Monaten vorherrschenden Omikron-Variante Rechnung. Möglich ist der Einsatz bei Menschen ab 12 Jahren als Auffrischimpfung. Es geht um an die Sublinie BA.1 angepasste Präparate sowie um einen noch etwas neueren BA.4/BA.5-Impfstoff. Neben Omikron wird mit den neuen Vakzinen auch noch das ursprüngliche Coronavirus berücksichtigt. Ziele sind eine bessere Immunantwort gegen Omikron und eine Auffrischung in Bezug auf den sogenannten Wildtyp.
Die Stiko nehme in ihrem Beschluss keine Unterscheidung zwischen den BA.1-Impfstoffen und dem neueren BA.4/BA.5-Präparat vor, sagte Bogdan. Schwierig für das Expertengremium war demnach die relativ dünne Datenlage. Insbesondere betrifft dies das neuere BA.4/BA.5-Präparat - die Stiko sei »nicht besonders glücklich«, dass hierzu noch keine Daten aus Studien an Menschen vorliegen, sagte Bogdan. Für die Zulassung stützten sich Behörden im Kern auf Daten aus Versuchen an Mäusen, aber etwa auch auf Erkenntnisse zu den Vorläuferimpfstoffen. Fachleute sprechen beim BA.1-Impfstoff im Vergleich zu BA.4/BA.5 von der besseren Datenlage, hierzu gebe es Erkenntnisse aus Untersuchungen am Menschen.
Verschiedene Puzzlesteinchen hätten verknüpft und Analogieschlüsse gezogen werden müssen, bemängelte auch Stiko-Mitglied Jörg Meerpohl, Direktor des Instituts für Evidenz in der Medizin vom Uniklinikum Freiburg. Aber man müsse mit dem leben, was man habe. Bogdan betonte, dass angesichts der umfangreichen Erfahrung mit den bisherigen Covid-19-Impfstoffen nicht zu erwarten sei, dass man in ein Problem hineinlaufen werde.
Corona bleibt auch mit angepassten Impfstoffen
Aus Deutschland eliminieren lasse sich das Virus auch mit den angepassten Impfstoffen nicht, sagte Bogdan. Das Impfziel sei, schwere Erkrankungen, Krankenhausbehandlungen und Tod infolge von Corona-Infektionen zu verhindern. Es gehe hingegen nicht darum, Inzidenzen niedrig zu halten oder harmlosere Infektionen zu verhindern. Mittlerweile sei eine Situation erreicht, in der »eine sehr gute Basisimmunität in der Bevölkerung« existiere.
Immungesunde Menschen unter 60 mit den empfohlenen drei Impfungen bräuchten erst einmal keine Viertimpfung, sagte Bogdan. Auch eine durchgemachte Infektion sei hierbei wie eine Impfung zu bewerten.
Der Rat von Fachleuten lautet, im Fall einer fälligen Auffrischung verfügbare Präparate zu nutzen und den Schritt nicht in Hinblick auf einen vermeintlich besseren, neueren Impfstoff aufzuschieben. Sonst laufe man Gefahr, in der Zwischenzeit zu erkranken. Trotz der geplanten Empfehlung können auch die bisherigen Covid-19-Impfstoffe weiter benutzt werden. Bogdan betonte, alle vorhandenen Impfstoffe schützten sehr gut vor schweren Krankheitsverläufen. Mit den neuen Präparaten gehe es darum, sich für eventuell künftig auftretende weitere Sublinien von Omikron aufzustellen.
Die Effektivität der angepassten Impfstoffe wird auch davon abhängen, welche Varianten in den kommenden Wochen und Monaten vorherrschen. Dies lässt sich bisher nicht absehen. Derzeit verursachen BA.4 und BA.5 nach Daten aus einer Stichprobe den allergrößten Teil der Infektionen bundesweit, wohingegen BA.1 schon länger keine Rolle mehr spielt.
© dpa-infocom, dpa:220920-99-831993/4