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Sterilisation bei Männern - keine leichte Entscheidung

Meist kommt die Überlegung Ende 30, Anfang 40, nach abgeschlossener Familienplanung: Wie soll es weitergehen mit der Verhütung? Manch ein Mann überlegt dann, ob eine Sterilisation das Richtige sein könnte.

Sterilisation beim Urologen
Urologe Marc Armbruster in seiner Praxis. Foto: Bernd Weißbrod
Urologe Marc Armbruster in seiner Praxis.
Foto: Bernd Weißbrod

Das Thema kam immer mal wieder auf, meistens brachte Heiko Ottos Partnerin es auf den Tisch - jetzt, nach der Geburt ihres dritten Kindes, wieder häufiger. Die Rede ist von Sterilisation beim Mann, Vasektomie heißt dieser Eingriff in der Medizin

»Die anderen Verhütungsmethoden haben alle irgendeinen Haken, und bei Frauen ist die Sterilisation ein größerer Eingriff als bei Männern«, sagt Otto. »Die Verantwortung für die Verhütung tragen ja oft die Frauen, das ist nicht ganz fair. Meine Partnerin fände es gut, wenn ich es machen lassen würde.« Aber der 41-Jährige ist sich unsicher, spricht von einer »Findungsphase«.

»Irgendetwas löst das in mir aus«, sagt der Berliner. »Gar nicht so sehr verbunden mit der Angst vor dem Eingriff selbst, auch wenn das ein bisschen mit reinspielt. Es hat so etwas Endgültiges.« Bei einer Vasektomie werden die Samenleiter durchtrennt, um sicherzustellen, dass ein Mann keine Kinder mehr zeugen kann.

Der Eingriff könne in den ersten zwei bis drei Jahren noch mit sehr guten Erfolgschancen rückgängig gemacht werden, aber danach werde es immer schwieriger, sagt Urologe Marc Armbruster aus Kornwestheim in Baden-Württemberg. »Es ist ein Schritt, der als endgültig zu betrachten ist.« Die wenigsten Männer wollten es hinterher wieder rückgängig machen.

Nicht immer sind die Männer sich sicher

Gelegentlich komme die Frage, ob sich die Erektion oder die Lust auf Sex nach dem Eingriff negativ verändere. »Dies kann aber verneint werden«, betont Armbruster. »Da bei der OP nur die Samenleiter durchtrennt werden und nicht etwa die für die Erektion zuständigen Nerven.« Falls es zu Störungen kommen sollte, sei dies meistens psychisch bedingt.

Timo Storck, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie, erläutert, dass es auf emotionaler Ebene schwieriger sein könne als auf anatomischer oder rationaler Ebene - etwa wenn sich jemand frage: »Ist das ein Verzicht auf etwas, von dem ich denke, dass ich es irgendwann einmal bereuen könnte?«

Dieser Aspekt treibt auch den Vater Otto um: »Dann wäre es wirklich vorbei mit weiteren Kindern.« Eigentlich seien drei Kinder immer die Zahl gewesen, die seine Partnerin und er sich vorgestellt hätten. »Aber ich kann einfach nicht hundertprozentig sagen, dass unsere Familienplanung abgeschlossen ist. Wenn sich unsere Vermögenssituation beispielsweise ändern würde, dann würde ich definitiv noch mehr Kinder wollen.«

Und dann gebe es da noch ein zweites Szenario, sagt der 41-Jährige: »Wenn wir doch nicht für immer unseren Weg zusammen gehen sollten, was ich natürlich nicht hoffe, dann wäre eine weitere Familienplanung wenn überhaupt nur im Zuge eines deutlich umfangreicheren zweiten Eingriffs möglich.«

Auch jüngere Männer zeigen Interesse

Storck von der Psychologischen Hochschule Berlin betont, es sei auf jeden Fall wichtig, jemandem bei dem Thema weder moralisch noch psychologisch etwas vorzuschreiben, »denn es ist eine sehr persönliche, individuelle Entscheidung, die jeder gut abwägen sollte«. »Manchmal kann es mit anderen Themen verknüpft sein: Wie geht jemand generell mit großen Schritten um, damit, sich auf etwas festzulegen?« Eine weitere wichtige Frage sei, ob jemand einen chirurgischen Eingriff machen lasse, der medizinisch nicht nötig sei.

Urologe Armbruster führt seit rund 15 Jahren Vasektomien durch. »Als ich angefangen habe, hatte ich das Gefühl, dass ein Patient nur seinem allerbesten Kumpel davon erzählt hat«, sagt der Facharzt. »Es war schon ein Tabuthema. Jetzt kommt eher jemand und sagt: «Mein Nachbar hat es empfohlen, und im Fußballverein hat es auch jemand gemacht». Es wird unter Männern viel offener darüber gesprochen.«

Psychoanalytiker Storck sagt: »Ich denke, dass es heute weniger belächelt wird als vor 10, 20 Jahren. Es gibt mehr Neugier auf die Beweggründe als Ablehnung und Spott. In 10, 20 Jahren wird es nochmal mehr Offenheit geben. Ob diese Offenheit aber zu mehr Eingriffen führt, wer weiß?« Genaue Zahlen zu Vasektomien liegen weder dem Berufsverband der Deutschen Urologen noch der Deutschen Gesellschaft für Urologie vor. Hintergrund ist, dass die Vasektomie in der Regel eine Selbstzahlerleistung ist und überwiegend ambulant erfolgt.

Wer für eine Vasektomie zu ihm komme, sagt Urologe Armbruster, sei im Schnitt Ende 30, habe zwei Kinder und die Familienplanung abgeschlossen. Es kämen aber auch jüngere Männer, die sagten »Ich habe keine Kinder und ich will auch keine«. Das sei allerdings eher die Ausnahme. Wer sich für eine Vasektomie entscheide, sollte sich sicher sein, sagt Armbruster. »Die Männer, die bei mir sitzen, die haben ihre Entscheidung schon gefasst, die haben die Bedenken nicht mehr.«

Vater Otto gibt sich noch Bedenkzeit. Wenn er den Eingriff mache, dann in erster Linie für seine Partnerin. »Der Prozess des Nachdenkens ist auf jeden Fall noch nicht abgeschlossen für mich«, sagt er. »Meine Partnerin hat sich jetzt erstmal wieder die Pille bestellt. Ich sage aber nicht hundertprozentig: Ich mache das nicht mit der Vasektomie.«

© dpa-infocom, dpa:220914-99-754903/3