Stralsund (dpa) - In der Ostsee sind die Kegelrobben zurück. Mit mehr als 38.000 gezählten Tieren ist der Bestand inzwischen wieder etwa halb so groß wie noch im 19. Jahrhundert.
Weil die Meeressäuger Fisch fressen, wurden sie hartnäckig bejagt - vor 100 Jahren, 1920, wurde in Deutschland offiziell die letzte Robbe dieser Art erlegt. »Damals gab es eine Prämie für jede erlegte Robbe, der Unterkiefer musste vorgelegt werden, heute unvorstellbar«, sagt die Meeresbiologin Linda Westphal vom Deutschen Meeresmuseum in Stralsund.
In den 1980er-Jahren stand die Ostsee-Kegelrobbe (Halichoerus grypus balticus), die als eigene Unterart gilt, mit 2500 Exemplaren kurz vor dem Aussterben. Ein Jagdverbot sorgte dafür, dass sie sich ostseeweit erholt: Seit 2004 werden die größten Säugetiere Deutschlands wieder häufiger gesichtet. Der Kegelrobben-Bestand in der südlichen Ostsee wächst nach Westphals Worten seitdem jährlich um rund 20 Prozent. Am Gesamtbestand hat dieser Bereich mit rund 3500 Tieren aber nur einen kleinen Anteil.
Die Größe der Bestände wird beim Überfliegen mit einem Flugzeug ermittelt. »Vom Boot aus sind große Gruppen nicht so einfach zu zählen«, erklärt die Wissenschaftlerin. »Im Sommer sind deutlich weniger Tiere an den deutschen Ostseeküsten zu finden, die meisten kommen mit dem kalten Wasser.« Im Oktober habe der Verein Jordsand allein auf der Insel Greifswalder Oie mehr als 100 Kegelrobben gezählt. Im Greifswalder Bodden waren es im Frühjahr 200 bis 300 Tiere.
Nicht jeder freut sich über den Zuwachs: So mancher Fischer würde gerne auf die Kegelrobbe verzichten, oft wird sie in einem Atemzug mit dem ebenfalls Fische fressenden Kormoran genannt. »An der Greifswalder Oie ist alles schwarz vor Kormoranen und Robben«, schimpft ein Fischer auf einer Diskussionsveranstaltung in Stralsund und zeigt Fotos von angefressenen Fischen. Der größte Schaden aber entstehe dadurch, dass die Robben Fischernetze zerstörten, sagt Michael Schütt aus Freest, Vize-Vorsitzender des Verbandes der Kutter- und Küstenfischer Mecklenburg-Vorpommern.
Die Robben seien »opportunistische Räuber«, erklärt Westphal. Je nach Angebot jagen sie demnach vor allem Fische wie den Lachs, aber auch Seehunde und Schweinswale sowie Seevögel und Krebse. In der Ostsee nehmen sie gern Heringe, Dorsche und Sprotten.
Jungtiere wurden an Mecklenburg-Vorpommerns Küste schon geboren, davon zeugten Totfunde. Etablierte Wurfplätze gibt es Westphal zufolge vor der deutschen Ostseeküste aber noch nicht. In dem von ihr betreuten Projekt des Bundesamts für Naturschutz (BfN) zur Rückkehr der Robben habe sie bisher nur 30 standorttreue Tiere gefunden.