Das Frühjahr ist eine ganz besondere Zeit auf der Helgoländer Düne: Hunderte Kegelrobben kommen zum Fellwechsel. In einer langen Reihe liegen die Tiere derzeit dicht nebeneinander am Strand - möglichst nah am Wasser, damit der Fluchtweg kurz ist.
Eine so große Zahl können die Besucher nur in ganz bestimmten Monaten beobachten: »Die Tiere haben zweimal im Jahr die biologische Notwendigkeit, an Land liegen zu müssen - in der Wurfzeit und während des Fellwechsels«, sagt Ute Pausch, Rangerin der Gemeinde Helgoland.
Beste Voraussetzungen
Deutschlands einzige Hochseeinsel bietet den Tieren mit ihrer 0,7 Quadratkilometer kleinen, vorgelagerten Düne beste Voraussetzungen. Um das Naturschauspiel zu verfolgen, kommen jedes Jahr zahlreiche Besucher. 30 Meter Mindestabstand müssen sie einhalten.
Die Robben in diesem Bereich der Nordsee wechseln von Ende Februar bis in den April hinein das Fell. Etwa zwei Wochen dauert der Prozess bei jedem Tier. »Der Stoffwechsel läuft dann auf Hochtouren, das ist ein energetisch ganz aufwendiger Prozess«, berichtet Pausch. Die Tiere suchten sich dann Orte, an denen sie faul rumliegen können.
An diesem sonnigen Nachmittag sind es allein 800 Tiere am Nordstrand der Düne. Ein etwa 300 Kilogramm schwerer Bulle hebt den Kopf, die Rangerin beobachtet ihn durch ein Fernglas. Der Fellwechsel habe bei ihm gerade erst angefangen, erklärt die 60-Jährige. »Um die Augen rum und auf der Stirn sieht man schon etwas helleres Fell, glänzender.« Der Rest sei gelblich-hellbräunlich. »Das ist noch das alte Fell - abgenutzt und stumpf.« Das Fell wird durch das Leben im Salzwasser und an Land sehr beansprucht.
Immer wieder ist ein helles Geheul zu hören. »Das sind eher die weiblichen Tiere«, sagt die Rangerin. Die Flut laufe auf, die ersten Robben würden langsam nass. Aber es seien eben Einzeltiere. »Die sind alle nicht nett miteinander.« Wer weiter oben liege, wolle nicht gern Platz machen. Das Geheul habe also das Motto: »Bleib weg, Du hast mich gerade berührt.«
Höchststände bei Kegelrobben-Geburten
Nach Angaben der Deutschen Wildtier Stiftung wurden Kegelrobben bis Mitte des 20. Jahrhunderts vom Menschen gejagt. Laut Naturschutzbund (Nabu) Schleswig-Holstein waren die größten Raubtiere Deutschlands lange Zeit an den deutschen Küsten verschwunden. Seit den 80er Jahren seien wieder Kolonien vor Amrum, Juist, Norderney, Borkum und auf der Helgoländer Düne entstanden.
Im Norden wurden in der Wurfsaison 2021/22 Höchststände bei den Kegelrobben-Geburten vermeldet. Allein 670 Geburten waren es nach Angaben des Vereins Jordsand auf Helgoland. »Innerhalb Deutschlands ist Helgoland der Platz, wo die meisten Kegelrobbenbabys geboren werden«, sagt Rangerin Pausch. In den Monaten der Wurfzeit seien die Robben überall am Strand verstreut. Dann gelte auf der Düne die Vorgabe: »Während der Wurfzeit ist der Mensch auf den Wintererlebnis-Pfad beschränkt.«
Die Geburtensaison auf Helgoland geht von November bis Januar. Die Jungtiere aus diesem Winter haben den Angaben zufolge bereits im Alter von zwei bis vier Wochen ihr schneeweißes Kinderfell (Lanugo) gegen das Erwachsenenfell getauscht, sind damit also schon lange durch. Ein Fellwechsel steht für sie erst wieder im nächsten Jahr im Frühjahr an.
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