Logo
Aktuell Wirtschaft

VW-Chef Diess über neue Software-Architektur

Einen Autohersteller zum Software-Unternehmen umzubauen, ist gleich auf mehreren Ebenen eine komplizierte Sache. Beim Großprojekt Cariad ruckelt es im Volkswagen-Konzern vernehmlich. Die Führung will das in den Griff bekommen.

Herbert Diess
Herbert Diess spricht über die Zukunftspläne von VW. Foto: Sven Hoppe
Herbert Diess spricht über die Zukunftspläne von VW.
Foto: Sven Hoppe

VW-Konzernchef Herbert Diess hat um Verständnis dafür geworben, dass der Aufbau des eigenen Software-Geschäfts unter Umständen mehr Zeit braucht als zunächst gedacht.

»Es ist nicht nur die Software selbst. Es ist auch die gesamte Software-Architektur als Schlüsselbaustein für vieles andere darum herum«, sagte er am Mittwoch bei einer Fachkonferenz in Bochum.

Die IT-Sparte Cariad müsse sich zusätzlich mit angrenzenden Themen befassen, die etwa die Integration von Steuergeräten, Vernetzung oder Anbindung an die Cloud betreffen. Hinzu kämen bald die Kommunikation unter Autos und mit dem Verkehrssystem zum autonomen Fahren. »Das ist sicherlich die schwierigste Aufgabe«, erklärte Diess. »Wir versuchen, um das Auto herum diese Funktionen zu verstehen und mit abzubilden.«

Kritik als Ansporn

Es gab Berichte über Verzögerungen, Kostensteigerungen und internen Widerstand beim Ausbau des Bereichs. Cariad-Chef Dirk Hilgenberg schrieb Anfang Mai in einem Brief an die Beschäftigten: »Ich sehe die Kritik als Ansporn und Ermunterung, weiter hart zu arbeiten und zu liefern, was wir versprochen haben: unsere einheitliche Soft- und Hardwareplattform. Ein Mammutprojekt unter massivem Zeitdruck. (...) Es ist nicht unerwartet, dass nicht alles nach Plan läuft.«

Auf die Frage von Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer, ob eine selbstgesteuerte Entwicklung von Softwaresystemen nicht zu viel sei, rechtfertigte Diess seinen Ansatz. »Das können Sie nicht delegieren«, meinte er zur Abwägung zwischen eigener Programmierung und Einkauf. »Wir müssen nicht alles selber machen - nur das, was wirklich kritisch ist. Aber wir merken: Im alten System geht es nicht mehr.«

Für die neuen Fahrfunktionen und Dienstleistungen rund ums Auto werde man zum Beispiel laufend Echtzeitdaten aus dem Verkehr brauchen. Auf der anderen Seite blieben die Fahrzeughersteller verantwortlich für Sicherheit, Haftung, die Kundenzugänge ins System und regelmäßige Updates. »Die Software muss kontinuierlich am Laufen gehalten werden. Sie können nicht mehr alles bei großen Zulieferern einkaufen.« Mit Bosch arbeitet Volkswagen beispielsweise aber beim autonomen Fahren und bei der Ausrüstung der künftigen Batteriezellwerke zusammen.

Diess: »Wir machen das selber«

Im Juli steht in Salzgitter der Baubeginn der dortigen Zellfabrik an. Sie ist mit einem Standort des Partners Northvolt im nordschwedischen Skellefteå und einem im spanischen Valencia geplanten Werk der dritte von sechs solchen Standorten in Europa. Es werde nun ungefähr »alle eineinhalb Jahre eine neue Gigafabrik« geben, sagte Diess bei der Bochumer Tagung - jeweils mit bis zu 3 Milliarden Euro Investitionen.

Ab dem Sommer ist auch ein eigener Vorstand für die VW-Batteriesparte zuständig. »Wir brauchen hier einen europäischen Hersteller«, sagte Diess. »Ich würde nicht ausschließen, dass wir den irgendwann an die Börse bringen.« Nach vielen Gesprächen mit potenziellen Lieferanten habe Volkswagen beschlossen: »Wir machen das selber.« Der Konzern will die gesamte Wertschöpfungskette vom Rohstoffbezug über die Forschung, Entwicklung und Produktion bis zum Recycling abdecken.

© dpa-infocom, dpa:220601-99-505419/2