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Vier Lehren für einen besseren ÖPNV nach dem 9-Euro-Ticket

Bald ist es vorbei mit dem 9-Euro-Ticket. Unabhängig davon, ob und wann es ein Nachfolgeangebot geben wird, lassen sich für den ÖPNV einige Lehren aus der Aktion ziehen.

Straßenbahnhaltestelle
Eine Straßenbahnhaltestelle in Heidelberg - kommt eine Alternative zum 9-Euro-Ticket? Foto: Uwe Anspach
Eine Straßenbahnhaltestelle in Heidelberg - kommt eine Alternative zum 9-Euro-Ticket?
Foto: Uwe Anspach

Drei Monate lang reisten Millionen Menschen mit dem 9-Euro-Ticket in Bussen und Regionalbahnen durch ganz Deutschland. Ende August endet der Aktionszeitraum der Sonderfahrkarte, die ursprünglich vor allem die inflationsgebeutelten Verbraucherinnen und Verbraucher entlasten sollte. Ob es ein Nachfolgeangebot geben wird, wird derzeit hitzig diskutiert. Schon jetzt lassen sich aber einige Lehren aus der Zeit ziehen, um den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ganz allgemein zu verbessern.

Einfach kaufen und losfahren

Der ÖPNV in Deutschland ist ein Geflecht aus mehr als 100 Tarifverbünden, unübersichtlichen Zuständigkeiten und verwirrenden Preisstufen. Wer in einer unbekannten Region Bus oder Bahn nehmen will, verliert in diesem Tarifdschungel schnell den Überblick. Das 9-Euro-Ticket hat aus Sicht vieler Fachleute gezeigt, dass es auch einfacher gehen kann, auch wenn der Tarif-Flickenteppich so schnell nicht zu überwinden sein dürfte.

»Ein zusätzliches Angebot zu den bestehenden Tarifen, das über ein Bundesland oder mehrere hinweg Fahrten im ÖPNV ermöglicht, halte ich für eine sinnvolle und gangbare Lösung«, sagt Philipp Kosok, Verkehrsexperte beim Interessenverband Agora Verkehrswende. Es brauche einfachere Tarifoptionen, die auch erstmal neben den lokalen Regelungen bestehen könnten.

Nachholbedarf sieht Kosok zudem bei der technischen Umsetzung: Nicht jeder Verkehrsverbund brauche seine eigene App für den Ticketverkauf. »Da gab es in den vergangenen Jahren zwar Fortschritte, aber wir sind lange noch nicht so weit wie etwa wie die Schweiz«, sagt er.

Der Preis

Für neun Euro pro Monat mit dem ÖPNV durch ganz Deutschland - ein verlockendes Angebot, das Millionen Fahrgäste genutzt haben. Um dauerhaft mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf Busse und Bahnen zu bewegen, spielt der Preis eine wichtige Rolle. »Allerdings haben wir auch gelernt, dass etwas Differenzierung durchaus wichtig ist«, sagt Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn. »Aus Berliner Sicht ergibt es schon Sinn, dass die Fahrt an den Müggelsee in der Stadt günstiger ist als die Fahrt an die Ostsee.« Wichtig seien auch hier einfache und leicht zu verstehende Angebote.

Auch Agora-Experte Kosok sieht im Preis ein wichtiges Lockmittel für den ÖPNV. Vor allem den Bund sieht er in der Pflicht, durch zusätzliche finanzielle Mittel für bezahlbare und stabile Preise zu sorgen.

Die Infrastruktur

Volle Züge, zahlreiche Verspätungen und Ausfälle - insbesondere auf den touristisch begehrten Strecken hat das 9-Euro-Ticket ein weiteres Mal gezeigt, dass das deutsche Schienennetz für deutlich mehr Fahrgäste nicht ausgestattet ist. »Schon vor dem 9-Euro-Ticket war der Nahverkehr auf vielen Strecken stark ausgelastet«, sagt Kosok. »Für die Unternehmen war dieser dreimonatige Zeitraum eine enorme zusätzliche Herausforderung.« Hinzu kamen zahlreiche Baustellen, die im Sommer an vielen Orten insbesondere den Zugverkehr weiter ausgebremst haben.

Doch es fehlt nicht nur an Infrastruktur auf der Schiene, sondern auch an ausreichend Bussen und Personal in den Städten und Gemeinden. »Es braucht größere Flotten, mehr Busspuren und eine bessere Bezahlung«, sagt Naumann von Pro Bahn.

Vor allem wachsende Städte und Kommunen hätten in den vergangenen Jahren das Verkehrsangebot deutlich aufgestockt, sagt Kosok. Dort habe die hohe Nachfrage durch die Sonderfahrkarte gut aufgefangen werden können. Doch in vielen Regionen herrsche hoher Investitionsbedarf. Auch hier müsse der Bund seine Mittel deutlich aufstocken, fordert der Experte.

Die Beschäftigten

Die lautesten Gegner einer Verlängerung des 9-Euro-Tickets sind nach wie vor die Gewerkschaften. »Die Belegschaft hat die Belastungsgrenze erreicht und teilweise überschritten«, sagte Ende Juli der Vizevorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Martin Burkert. Ähnlich äußerte sich damals die Lokführergewerkschaft GDL. Schließlich sind es die Zugbegleiterinnen und -begleiter, die beim Frust der Fahrgäste aufgrund von Ausfällen und Verspätungen in der ersten Reihe stehen und die Hauptlast tragen.

Die Deutsche Bahn hat zwar in den vergangenen Jahren auch im Regionalverkehr Tausende neue Beschäftigte eingestellt. Doch aufgrund des hohen Krankenstands infolge der Corona-Sommerwelle kam es immer wieder zu Engpässen.

Bei den Nahverkehrsunternehmen fehlt es aber auch generell an Personal. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mussten zum Beginn des neuen Schuljahrs in dieser Woche ihr Busangebot um drei Prozent einschränken, weil neben den zahlreichen Krankheitsfällen auch der Arbeitsmarkt nahezu völlig leergefegt sei. Ein funktionierender ÖPNV ist aber ohne eine ausreichende Personaldecke nicht zu stemmen.

© dpa-infocom, dpa:220824-99-505332/6