Berlin (dpa) - Hunderttausende Betriebsrentner müssen voraussichtlich noch Monate auf eine seit Jahresanfang geltende Entlastung bei den Sozialbeiträgen warten. Das geht aus der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine der dpa vorliegende Anfrage der Linksfraktion hervor.
Dabei geht es um den seit Anfang 2020 geltenden Freibetrag für Krankenkassenbeiträge bei Betriebsrenten. Er beträgt 159,25 Euro. Seither müssen rund vier Millionen gesetzlich krankenversicherte Betriebsrentner Beiträge nur noch für den Betrag bezahlen, der gegebenenfalls darüber liegt.
Das Problem ist, dass das Gesetz erst im Dezember beschlossen wurde. Wie etwa aus einem Informationsblatt der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) hervorgeht, das der dpa vorliegt, »konnten die Kranken- und Versorgungskassen ihre technischen Systeme nicht rechtzeitig umstellen, um die Beiträge neu zu berechnen«.
Zu viel gezahlte Beiträge sollen rückwirkend erstattet werden. »Dies kann jedoch noch einige Monate dauern, vielleicht sogar bis zum Ende des Jahres 2020«, so die KKH.
Beim federführenden Gesundheitsministerium stößt so eine lange Umsetzungsfrist auf Protest. »Eine Umsetzung erst zum Ende des Jahres ist aus Sicht der Bundesregierung nicht hinnehmbar«, schreibt es in seiner Antwort.
Es sei davon auszugehen, dass die Neuregelung bei Bezug nur einer Betriebsrente zeitnah erfolgen könne, so das Ministerium. »Davon sind circa zwei Drittel betroffen.« Doch bei Bezug mehrerer Betriebsrenten seien gesonderte Meldungen von der Krankenkasse an Zahlstellen - etwa Pensionskassen - nötig. Demnach könnte hiervon das weitere Drittel der Betriebsrentner betroffen sein.
»Zur Umsetzung der Regelung bei Bezug mehrerer Betriebsrenten gibt es derzeit von Seiten der Beteiligten noch unterschiedliche Einschätzungen«, so das Ministerium von Jens Spahn (CDU). Das Ressort werde die Fortschritte genau und kritisch verfolgen und Maßnahmen zur Beschleunigung prüfen.
Der Linken-Abgeordnete Matthias W. Birkwald, der die Anfrage gestellt hatte, sagte der dpa, das Gesundheitsministerium habe seit einer Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss Anfang Dezember um die technischen Herausforderungen gewusst. »Ich fordere Minister Jens Spahn und vor allem den GKV-Spitzenverband und die Zahlstellen der Betriebsrenten auf, unverzüglich zu verhandeln und schnellstmöglich die technischen Voraussetzungen für eine korrekte Auszahlung und die entsprechende Nachzahlung zu schaffen«, sagte Birkwald.
Bis 2019 mussten Empfänger auf ihre Betriebsrente den vollen Satz für die Krankenkasse zahlen. Es gab nur eine Freigrenze von 155,75 Euro. Wer mehr Betriebsrente bekam, musste auf die komplette Betriebsrente die kompletten Beiträge zahlen.
Durch die Einführung des Freibetrags sollen rund 60 Prozent der Betriebsrentner faktisch nur noch maximal den halben Beitragssatz zahlen. Das liegt daran, dass bei ihnen die Betriebsrente unter 318 Euro liegt, also dem Doppelten des Freibetrags. Die weiteren 40 Prozent sollen durch den Freibetrag spürbar entlastet werden. Spahn hatte im Dezember gesagt: »Wer fürs Alter vorsorgt, darf nicht bestraft werden.«
Der Freibetrag gilt sowohl für laufende monatliche Zahlungen als auch für einmalige Kapitalauszahlungen. Bei mehreren Betriebsrenten gilt die Grenze für den Gesamtbetrag. Als Beispiel rechnet die KKH vor: Bei einer Betriebsrente von 100 Euro und einer von 79,25 Euro übersteigt die Summe den Freibetrag um 20 Euro - nur darauf sind Krankenkassenbeiträge zu zahlen. Der Pflegeversicherungsbeitrag wird übrigens im Gegensatz dazu weiter voll auf die gesamte Rentenzahlung fällig.