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Umweltverbände gegen neue Ölförderung im Wattenmeer

Deutschland will unabhängiger von russischem Öl und Gas werden. Dafür wird auch die Ausweitung der Ölförderung in der Nordsee in Betracht gezogen. Umweltverbände schlagen Alarm.

Aktion gegene Ölförderung im Wattenmeer
Aktion mehrerer Umweltverbände gehen die Ölförderung im Wattenmeer unter dem Motto: »Keine neuen Bohrungen im Wattenmeer. Stopp der Ölförderung bis 2030!«. Foto: Brigitta von Gyldenfeldt
Aktion mehrerer Umweltverbände gehen die Ölförderung im Wattenmeer unter dem Motto: »Keine neuen Bohrungen im Wattenmeer. Stopp der Ölförderung bis 2030!«.
Foto: Brigitta von Gyldenfeldt

Umweltschützer haben die mögliche Ausweitung der Ölförderung im schleswig-holsteinischen Wattenmeer erneut scharf kritisiert.

Bedrohung für Klimaschutz und Natur

Mehrere Verbände demonstrierten am Freitag in Sichtweite der Bohrplattform Mittelplate vor Friedrichskoog gegen die geplante Ausweitung im Nationalpark. Deutsche Umwelthilfe (DUH), Schutzstation Wattenmeer und WWF fordern den Betreiber Wintershall Dea auf, die Pläne zu stoppen und die bestehende Förderung bis 2030 statt bis 2041 zu beenden. Deutschland brauche dieses Öl nicht, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Für Klimaschutz und Natur seien die Bohrungen eine große Bedrohung.

Angesichts der Bemühungen, die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl zu verringern, wird in Schleswig-Holstein auch über eine Ausweitung der Ölförderung im Wattenmeer nachgedacht. CDU und FDP im Land sprachen sich zuletzt für das Vorhaben aus. Selbst die Grüne-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am Sonntag, Finanzministerin Monika Heinold, hatte auf Nachfrage der DUH gesagt, »die Suche nach alternativen Quellen bezieht auch die Mittelplate mit ein«. Sie verknüpfte ihre Zustimmung zu einer Ausweitung der Fördermengen demnach allerdings mit der Bedingung, dass Wintershall Dea den Antrag mit einem früheren Ausstiegsdatum für die Plattform insgesamt verbindet.

Förderbewilligung bis Ende 2041

Von Mittelplate aus wird seit 1987 Öl in der Nordsee störungsfrei gefördert. Unternehmensangaben zufolge ist Mittelplate »eine tragende Säule der deutschen Erdölförderung und das mit Abstand förderstärkste Ölfeld in Deutschland«. Die Förderbewilligung läuft bis Ende 2041. Das Unternehmen beantragte 2019, auch im südlichen Teil der Lagerstätte Öl zu fördern. Die formale Dauer einer beantragten Bewilligung sind nach früheren Unternehmensangaben 50 Jahre. Auch im südlichen Teil solle aber nur bis Ende 2041 gefördert werden.

Müller-Kraenner ist skeptisch, ob tatsächlich nur bis 2041 statt bis 2069 gefördert werden soll. »Ich möchte mich nicht darauf verlassen.« Darüber hinaus hielten die DUH und die anderen Verbände auch 2041 für ein zu spätes Datum. Mittelplate fördert rund eine Million Tonnen Öl jährlich, was einem Prozent des deutschen Ölverbrauchs entspricht. Durch die neuen Förderungen sollen rund 120 000 Tonnen im Jahr hinzukommen. Einen relevanten Betrag zur Versorgungssicherheit leistet Mittelplate nach Ansicht der Verbände damit nicht.

Hans-Ulrich Rösner, Leiter des WWF-Wattenmeerbüros, verwies auf Gefahren für das Gebiet, in dem jährlich Hunderttausende Wat- und Wasservögel Zwischenstopp machten. Zudem müsse ein großer Teil der weltweiten Ölvorräte im Boden bleiben, damit Klimaschutz funktionieren könne. »Es liegt auf der Hand, dass dies in Schutzgebieten mit Priorität erfolgen kann und muss.«

Erdgasförderung vor der Insel Borkum

Kritisch sieht Rösner auch die Kehrtwende der niedersächsischen Landesregierung, was eine mögliche Erdgasförderung vor der Insel Borkum angeht. Angesichts der Unsicherheiten bei der Energieversorgung durch den Krieg in der Ukraine sprach sie sich für eine Neubewertung des Projektes aus. Eine abschließende Entscheidung ist noch nicht gefallen. »Bei kurzfristigen Gasengpässen wird das nicht helfen«, sagte Rösner. »Man installiert da im Grunde auf Jahrzehnte hinaus eine Struktur, die fossiles Gas aus dem Boden eines Schutzgebietes holt, ohne dass es von den zeitlichen Abläufen her für die Überbrückung dieses möglicherweise in Kürze eintretenden Engpasses tatsächlich hilft.«

Ein niederländisches Unternehmen will rund 20 Kilometer vor Borkum eine Plattform errichten und betreiben. Außerdem soll eine Transportleitung gebaut werden. Das Gas soll zwischen Deutschland und den Niederlanden aufgeteilt werden.

© dpa-infocom, dpa:220506-99-184930/5