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Streit und wenig Konsens: WTO-Ministerkonferenz verlängert

Die Fronten sind ziemlich hart: Indien schält sich als Wortführer der Entwicklungsländer heraus und torpediert Konsens über Vertragsentwürfe. Die WTO-Chefin lässt aber nicht locker.

12. WTO-Ministerkonferenz in Genf
Die Ministertagung der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf ist angesichts eines drohenden Scheiterns um einen Tag verlängert worden. Foto: Martial Trezzini
Die Ministertagung der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf ist angesichts eines drohenden Scheiterns um einen Tag verlängert worden.
Foto: Martial Trezzini

Die Ministertagung der Welthandelsorganisation (WTO) ist angesichts eines drohenden Scheiterns um einen Tag verlängert worden. Die Minister würden ihre Beratungen nun auch am Donnerstag fortsetzen, berichtete die WTO am Mittwoch in Genf.

Die Verhandlungen über wichtige Handelsvereinbarungen etwa zu Corona-Patenten oder schädlichen Fischerei-Subventionen waren nach einem vielversprechenden Start Anfang der Woche ins Stocken geraten, wie aus Teilnehmerkreisen verlautete.

164 Mitgliedsländer

»Die Zeit für den Abschluss sinnvoller Vereinbarungen wird knapp«, hatte WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala am Dienstagabend gesagt. Statt ein Scheitern hinzunehmen brachte sie die Verlängerung der Konferenz ins Spiel, dem die Verhandlungsführer schließlich zustimmten.

Vor allem Indien und zeitweise Sri Lanka und Ägypten stellten sich in einigen Verhandlungssträngen quer und verhinderten zunächst Konsens. In anderen Verhandlungsrunden meldete Großbritannien Vorbehalte an, wie es hieß. Jedes der 164 Mitgliedsländer kann Vereinbarungen stoppen, weil die Organisation alles einstimmig beschließen muss.

»Wir kämpfen im Namen aller Entwicklungsländer, auch der Länder mit den niedrigsten Einkommen«, sagte der indische Minister für Handel und Industrie, Piyush Goyal, im Zusammenhang mit Agrarverhandlungen. Reiche Länder versuchten stets, für sich große Subventionen zu ermöglichen, ärmeren Ländern aber die Chance auf Entwicklung vorzuenthalten. Bei einem geplanten Abkommen über das Ende schädlicher Fischereisubventionen pocht Indien auf 25 Jahre Übergangsfrist, ehe ärmere Länder Bestimmungen umsetzen müssen.

Hilfe für ärmere Länder

Umstritten waren ebenfalls eine Vereinbarung über das vorübergehende Aussetzen von Patenten auf Corona-Impfstoffe, damit mehr Länder in die Produktion einsteigen können. Auch über eine Verlängerung der Vereinbarung, keine Zölle auf elektronische Übertragungen zu erheben, gab es keine Einigung. Industrieländer sind eher dafür, Entwicklungsländer eher dagegen. Gerungen wurde auch darum, wie die WTO dringend nötige Reformen angehen soll. Selbst eine Deklaration, dass das Welternährungsprogramm (WFP), welches Hungernde in aller Welt unterstützt, bei seinen Einkäufen von Exportbeschränkungen ausgenommen wird, war am Mittwoch noch nicht unter Dach und Fach.

Vertreter der Zivilgesellschaft kritisierten alle auf dem Tisch liegenden Vertragsentwürfe. Sinnvolle Vorschläge seien stark verwässert worden. Damit werde ärmeren Ländern kaum geholfen.

Experten fürchten, dass die 1995 gegründete WTO, die die Entwicklung mit Regeln für freien und fairen Handel fördern soll, in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Zuletzt gelang ihr ein Abkommen 2013. Dabei ging es um die Vereinfachung von Zollverfahren.

© dpa-infocom, dpa:220615-99-674441/2