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Streit um Wahlfreiheit beim Bezahlen an E-Ladesäulen

Der Staat fördert den Ausbau der Elektromobilität mit Milliarden. Ein E-Auto unterwegs aufzuladen ist aber noch relativ kompliziert. Banken und Sparkassen dringen hier auf eine Änderung.

FRANKFURT/BERLIN. Die Kreditwirtschaft pocht vor der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat auf offene Bezahlsysteme an öffentlichen Ladesäulen für Elektroautos.

»Im Sinne der Verbraucher muss man an jeder Ladesäule mit der Karte bezahlen können, die man im Portemonnaie hat«, sagte Karl-Peter Schackmann-Fallis, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) der Deutschen Presse-Agentur.

»Nur wenn das Bezahlen so simpel ist wie beim Bäcker nebenan oder beim Tanken, wird die Elektromobilität akzeptiert werden.« Der DSGV ist in diesem Jahr Federführer der in der Deutschen Kreditwirtschaft zusammengeschlossenen fünf großen Bankenverbände.

Wirtschaftsverbände haben sich währenddessen vehement gegen eine Kartenlesegeräte-Pflicht an öffentlichen Ladesäulen für Elektroautos ausgesprochen. »Veraltete Technologien« wie EC-Kartenterminals seien ein Rückschritt, der zusätzliche Kosten für die Nutzer verursache und das Innovationstempo bremse, heißt in einem Appell des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, des Verbands der Automobilindustrie und des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie. Zuerst hatte die »Welt« darüber berichtet.

Thema im Bundesrat

Die Bundesregierung hatte Mitte Mai eine überarbeitete Ladesäulenverordnung beschlossen. Demnach müssen Betreiber von öffentlich zugänglichen Ladepunkten die kontaktlose Zahlung mit mindestens einer gängigen Debit- oder Kreditkarte anbieten. Dies soll für alle neuen Ladesäulen gelten, die vom 1. Juli 2023 an in Betrieb gehen.

Die Länder waren jedoch uneins und vertagten die Entscheidung. Nun steht das Thema am 17. September erneut auf der Tagesordnung des Bundesrates.

Kontaktloses Bezahlen ist mit Girocards und Kreditkarten möglich, die über einen entsprechenden Chip verfügen. Außerdem kann mit einem Smartphone oder einer Smartwatch mit Diensten wie Apple Pay und Google Pay oder Banken-Apps kontaktlos Geld übertragen werden.

Derzeit ist es vergleichsweise kompliziert, ein Elektroauto in Deutschland unterwegs zu laden: Es gibt zwar mehr als 46.000 öffentliche Ladesäulen (Stand 1. August), aber auch Hunderte Betreiber, Ladekarten, Vertragsmodelle und Tarife. Autokonzerne versuchen mit unterschiedlichen Ansätzen, Käufern ihrer E-Autos den Alltag einfacher zu machen - und an sich zu binden.

Streit in der Regierung

Die neue Ladesäulenverordnung hatte sogar für Streit in der Bundesregierung gesorgt. Verkehrsminister Andreas Scheuer dokumentierte im Kabinett seine Kritik mit einer ungewöhnlichen Protokollerklärung. »Das ist eine Regelung von gestern«, sagte der CSU-Politiker später. Er befürchtet nach eigenen Worten, dass sich mit den Vorschriften der Aufbau des Ladesäulennetzes verlangsamt.

Scheuer stellt sich damit hinter die Autobranche und die Energiewirtschaft, die viele der Säulen bereitstellt. So kritisierte der Energiebranchenverband BDEW im Mai, durch die Pflicht zum Einbau von Lesegeräten werde »ein zusätzlicher Bremsklotz geschaffen«. Der Autoverband VDA argumentiert, es reiche, auf Verträge, Apps oder digitale Bezahlsysteme zurückzugreifen.

Kanzlerin Angela Merkel sagte zuletzt mit Blick auf die staatliche Förderung, es gehe um einen diskriminierungsfreien Zugang der Kunden zu allen Ladesäulen und um unkompliziertes Bezahlen.

Befürworter der neuen Regeln - neben der Finanzbranche auch der Autoclub ADAC sowie Städte, Gemeinden und Kreise - sehen beim Ausbau des Ladenetzes ganz andere Hürden als Scheuer. Ein »Bezahlchaos« an den Säulen bremse die E-Mobilität aus. »Im Schnitt hat heute jeder E-Autofahrer drei Ladekarten von verschiedenen Anbietern, muss sich vorherig in Apps und auf Websites mit hochsensiblen Bezahldaten registrieren und verschiedenste Vertragsabschlüsse bewältigen«, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme.

»Verbraucher wollen Wahlfreiheit beim Bezahlen an E-Ladesäulen«, sagt auch Ingo Limburg, Vorstandsvorsitzender der Initiative Deutsche Zahlungssysteme. »Man muss sich nur mal vorstellen, man ist Autofahrer und kann nicht einfach an die nächste Tankstelle fahren, sondern muss schauen, wo sitzt mein Vertragspartner? Oder man steht an der Zapfsäule, kann den Preis nicht transparent erkennen und bekommt die Rechnung für die Tankfüllung erst in einem Monat.« Auch Kunden aus dem Ausland, die mit ihrem E-Auto durch Deutschland führen, wollten einfach tanken und bezahlen können.

Schackmann-Fallis vom DSGV sagt, er sehe keine Argumente für die geschlossenen Systeme. »Die Kartenterminals sind preiswert, es gibt keine rechtlichen Einschränkungen.« Das kontaktlose Bezahlen hat in der Corona-Krise einen deutlichen Schub bekommen. »Die Menschen haben sich an das kontaktlose Bezahlen gewöhnt, nutzen selbst für kleine Beträge die Girocard. Es wäre absurd, wenn nicht jede Ladesäule diese Möglichkeit hätte«, sagt Schackmann-Fallis.

© dpa-infocom, dpa:210909-99-149263/3

F&A Bundesregierung zu Bezahlen an der E-Ladesäule

Bundesnetzagentur: Ladesäulen in Deutschland