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LBBW-Chefvolkswirt fordert neuen Soli

»Neue Herkulesaufgaben«: Deutschland müsse Steuern erhöhen und Reiche stärker belasten, um die Folgen des Kriegs und des Klimawandels zu meistern.

Moritz Krämer
»Die Zeitenwende gibt es nicht zum Nulltarif«: Moritz Krämer. Foto: Bernd Weißbrod
»Die Zeitenwende gibt es nicht zum Nulltarif«: Moritz Krämer.
Foto: Bernd Weißbrod

Der Bund muss nach Ansicht des Chefvolkswirts der größten deutschen Landesbank wegen der gewaltigen Herausforderungen durch Ukraine-Krieg und Klimawandel die Steuern erhöhen.

»Ich plädiere für die Wiedereinführung des Solidaritätszuschlags«, sagte Moritz Kraemer, Chefökonom der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. »Die Zeitenwende gibt es nicht zum Nulltarif.«

Zuletzt habe das Land nach der Deutschen Einheit solche »Herkulesaufgaben« vor sich gehabt. Die Politik müsse die Energiewende vorantreiben, um unabhängig von russischem Gas zu werden. Man müsse damit rechnen, dass sich die Wirtschaftskrise durch die Sanktionen gegen Russland verschärfe, was weitere Hilfspakete für Unternehmen, Arbeitnehmer und Verbraucher nötig machen könnte, erklärte Kraemer. Neben höheren Ausgaben für Verteidigung gehe kein Weg daran vorbei, mehr Geld in Straßen, Schienen und Schulen zu stecken. »Es gibt so viele Notwendigkeiten, jetzt auf einmal. Die sind alle entstanden, weil unsere Generation nicht richtig agiert hat und Antworten auf viele der gesellschaftlichen Herausforderungen verschleppt hat.«

Der Soli müsse sozial gestaffelt sein. »Wir dürfen jetzt nicht den Kleinverdienern, die ohnehin an Kaufkraft verloren haben, noch zusätzlich in die Tasche greifen«. Die Steuererhöhung müsse vor allem Reichere treffen. »Das muss dann schon auch von denen getragen werden, die von den ganzen steigenden Immobilienwerten und Aktien profitiert haben. Das sind nicht die Durchschnittsverdiener«, erklärte der Chefvolkswirt.

Seit 1995 wurde der Soli erhoben, um die Kosten der Deutschen Einheit zu stemmen, zuletzt betrug er 5,5 Prozent der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Im vergangenen Jahr wurde der Zuschlag für rund 90 Prozent der Bürger abgeschafft.

Kraemer hält eine solche Steuererhöhung für den besten Weg, der auch nicht zulasten der nächsten Generationen gehe. Außerdem sei die Steuerquote in Deutschland im internationalen Vergleich noch sehr moderat. Zwar könne der Bund die notwendigen Ausgaben theoretisch auch durch neue Kredite stemmen, da er solvent sei und sich zu sehr niedrigen Zinsen verschulden könne. Aber: »Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz, da können wir nichts machen.« Es gebe auch keine Mehrheit dafür, sie zu ändern.

Im großen Stil Ausgaben zu kürzen ergebe auch keinen Sinn. »Wollen wir Sozialleistungen kürzen, jetzt wo die Inflation bei sieben Prozent liegt?« Bei Investitionen in Infrastruktur dürfe es auch keine Einsparungen geben. Kraemer sagte, ihm sei bewusst, dass es der FDP sehr wichtig gewesen sei, dass im Koalitionsvertrag der Ampel eine Steuererhöhung ausgeschlossen wurde. Der Chefvolkswirt ist aber sicher, dass es nicht dabei bleiben könne. Neue Kredite, höhere Steuern und Kürzungen: »Alles drei zusammen geht eben nicht. Irgendwas muss sich hier bewegen.«

© dpa-infocom, dpa:220410-99-866159/2