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Jeder fünfte junge Chinese ohne Job

Die Arbeitslosigkeit in China ist so hoch wie nie. Zwar verspricht Xi Jinping auf dem Parteitag »allgemeinen Wohlstand«, aber Lösungen für die Krise sind nicht in Sicht. Gerade junge Leute gehen leer aus.

Job-Messe
Chinesinnen auf einer Jobmesse in der Stadt Qingdao auf der Suche nach Jobs. Foto: Wu Hong
Chinesinnen auf einer Jobmesse in der Stadt Qingdao auf der Suche nach Jobs.
Foto: Wu Hong

Knapp jeder fünfte junge Mensch zwischen 16 und 24 Jahren ist in Chinas Städten arbeitslos - mehr als je zuvor. »Ich lebe zu Hause von der finanziellen Unterstützung meiner Familie«, sagt die 23-jährige Yu. Seit ihrem Abschluss vor mehr als einem Jahr von der Universität in Changchun in Nordostchina findet sie keine Stelle.

»Wegen der Pandemie haben Unternehmen zu kämpfen, und viele Leute verlieren ihren Job - ganz zu schweigen von all den Uni-Absolventen, die keine Arbeitserfahrung haben«, sagt die junge Frau aus Huludao (Provinz Liaoning), die ihren ganzen Namen nicht nennen möchte.

Die Krise wird ignoriert

Die Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise werfen ein schlechtes Licht auf den laufenden, nur alle fünf Jahre stattfindenden Kongress der Kommunistischen Partei in Peking. Doch obwohl Staats- und Parteichef Xi Jinping vor den 2300 Delegierten in der Großen Halle fast täglich sein Leitmotiv vom »allgemeinen Wohlstand« propagiert, ist von den Problemen draußen keine Rede. Schlechte Nachrichten sind unerwünscht. Die Krise wird ignoriert. So wurde kurzfristig auch die Bekanntgabe der jüngsten Außenhandels- und Wachstumszahlen verschoben.

Neben den ständigen Lockdowns durch die strikte Null-Covid-Strategie leidet die zweitgrößte Volkswirtschaft unter der bisher schlimmsten Immobilienkrise, schlechter heimischer Nachfrage und Überschuldung. Im zweiten Quartal erreichte das Wachstum nur 0,4 Prozent. Die Regierung wird ihr Wachstumsziel von 5,5 Prozent in diesem Jahr weit verfehlen. Die Weltbank rechnet nur mit 2,8 Prozent. Das wäre nach dem ersten Jahr der Pandemie 2020 erst das zweite Mal seit vier Jahrzehnten, dass das Wachstum so niedrig ausfällt. China wächst zum ersten Mal seit 1990 langsamer als der Rest von Asien.

»Wir lernen alles, aber nichts«

Die 23-jährige Yu macht auch Chinas Universitätsausbildung für ihre schlechten Chancen verantwortlich. »Alles, was an der Universität unterrichtet wird, ist sehr oberflächlich«, sagt die junge Frau, die Kunst und Zeichentrick gelernt hat. »Wir lernen alles, aber nichts. Verschiedenes, aber nichts konkret.« Ohne passende Qualifikation sei es schwer, einen Job zu finden. »Ich habe das Gefühl, dass ich umsonst zur Hochschule gegangen bin.« Jetzt schult sie um, lernt traditionelle chinesische Medizin bei einem Arzt.

»Die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie nie. Pleiten von Unternehmen, besonders kleine und mittelgroße, sind weit verbreitet«, sagt der frühere Politikdozent der renommierten Tsinghua-Universität, Wu Qiang. »Die Kommunen stehen unter enormem finanziellen Druck.« Null-Covid und die Wirtschaftspolitik von Xi Jinping hätten die schwerste Krise seit Jahrzehnten ausgelöst. China habe mit den Reformen über drei Jahrzehnte Wohlstand angesammelt und eine Mittelklasse entwickelt. »Aber es fehlt ihnen an politischer Repräsentation und an Wegen, dass ihre Stimme gehört wird.«

Xi Jinping mit »miserabelsten Wirtschaft« konfrontiert

Auf dem Parteitag geht es darum, die Ideologie von Xi Jinping noch tiefer in der Verfassung zu verankern, seine Macht auszubauen und für weitere fünf Jahre zu bestätigen. Xi Jinping sei in seiner dritten Amtszeit mit der »miserabelsten Wirtschaft« konfrontiert, die China seit Jahrzehnten gesehen habe, sagt Jacob Gunter vom China-Institut Merics in Berlin. Die Stimmung sei schlecht. Viele Chinesen sorgten für schlechte Zeiten vor. Indem gespart werde, leide der Konsum, obwohl die Regierung über stärkere heimische Nachfrage die Konjunktur ankurbeln wolle. »Es ist genau das Gegenteil von dem, was Xi Jinping für die Wirtschaft will.«

Die meisten ihrer Kommilitonen suchten vergeblich nach Arbeit, erzählt Frau Yu. Auch jene, die einen Master oder Doktor gemacht hätten. Auch gebe es jetzt viele Chinesen, die wegen der Pandemie vom Studium im Ausland nach China zurückkehrten. »Es gibt keinen Mangel an Leuten«, sagt die 23-jährige. »Mehr Talente, größere Wahl für Unternehmen und höhere Anforderung.« Von dem laufenden Parteitag in Peking erhofft sich die junge Frau auch nichts: »Ich kümmere mich nicht viel um Politik, deswegen verfolge ich das nicht.«

© dpa-infocom, dpa:221021-99-206139/2