LUEXEMBURG. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Donnerstag in Luxemburg ein Grundsatzurteil für Autobesitzer und freie Händler gefällt.
Im Streit zwischen dem Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA) und dem koreanischen Hersteller Kia ging es grundsätzlich um die Frage, ob freie Händler beim Ersatzteil-Geschäft benachteiligt werden - mit Auswirkungen auch für Verbraucher.
Worum ging es genau?
Produzierte Autos erhalten eine Fahrzeug-Identifikationsnummer. In einer Datenbank - die ein mit Kia verbundenes Unternehmen betreibt - sind unter der jeweiligen Nummer im Auto verbaute Teile gespeichert. Händler können über ein kostenpflichtiges Internetportal die zu jeder Nummer gespeicherten Daten einsehen. Diesen Lesezugriff erhalten sowohl Vertragswerkstätten als auch freie Reparaturbetriebe. Sie können damit sehen, welche Originalersatzteile sie für eine Reparatur brauchen. Sie können allerdings nicht sehen, ob es billigere Alternativen gibt.
Dabei geht es um einen Milliardenmarkt mit einem Volumen in Deutschland von mehr als 26 Milliarden Euro. Bei den Reparaturen haben freie Werkstätten einen Anteil von knapp 40 Prozent.
Was forderte der Autoteile-Verband?
Aus Sicht des Ersatzteileverbands GVA - in dem auch größere Zulieferer wie Bosch und ZF organisiert sind - hatte beklagt, dass freie Reparaturbetriebe, die in der von Kia zur Verfügung gestellten Datenbank suchten, nur Originalersatzteile der Vertragshändler finden könnten, was für diese einen Vorteil darstellen könne. Freie Händler müssten daher besseren Zugriff auf die Daten bekommen, damit sie diese verarbeiten und Werkstätten dann alternative Teilelisten zur Verfügung stellen könnten.
Was sagt die Automobilindustrie?
Nach Einschätzung des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) hat es in den vergangenen Jahren keine signifikante Veränderung der Marktanteile zwischen gebundenem und freiem Ersatzteilhandel gegeben. Einer aktuellen Untersuchung zu Kfz-Ersatzteilpreisen in Europa zufolge liegen die Ersatzteilpreise in Deutschland eher am unteren Ende, sagte VDA-Sprecher Eckehart Rotter. »Der Verbraucher in Deutschland profitiert - wie im Pkw-Markt insgesamt - auch hier von einem intensiven Wettbewerb.«
Deutschlands größter Autobauer, der Volkswagen-Konzern, betont, dass aus seiner Sicht alle Standards befolgt werden. Die Transparenz der Teilekataloge sei über das Portal Partslink24 gewährleistet. Man biete »selbstverständlich den im Gesetz genannten unabhängigen Marktbeteiligten uneingeschränkten Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen«, die Eingabe der entsprechenden Fahrzeug-Identifikationsnummer reiche dafür. Der freie Wettbewerb im Teilehandel werde grundsätzlich befürwortet.
Was hat der EuGH nun entschieden?
Der Bundesgerichtshof, der den Fall nach Luxemburg verwiesen hatte, wollte im Kern wissen, ob freie Händler und Werkstätten durch die bestehenden Praktiken unerlaubterweise diskriminiert werden. Im Detail wollte er wissen, ob Hersteller nach geltendem EU-Recht freien Händlern und Werkstätten die Fahrzeug- und Teileinformationen in elektronisch weiterzuverarbeitender Form bereitstellen müssen.
Die Luxemburger Richter haben nun geurteilt, dass nach bestehendem EU-Recht die Autohersteller nicht verpflichtet seien, die Daten in elektronisch weiterzuverarbeitender Form bereitzustellen. Der Lesezugriff über jeweilige Einzelabfragen reiche aus. Die freien Händler würden dabei auch nicht diskriminiert, da Vertragshändlern und -Werkstätten die gleichen Informationen zur Verfügung stünden.
Was sagen Verbraucherschützer?
Aus Sicht von Verbraucherschützern hätte ein Erfolg des Autoteile-Verbands zu niedrigeren Preisen für Autobesitzer führen können. Sie zeigten sich nun enttäuscht. »Für die Fahrzeugbesitzer ist dies ein Rückschlag. Die Hoffnung, dass durch ein positives Urteil der Zugang zu Ersatzteilen erleichtert und die Verbraucher durch sinkende Kosten direkt profitieren würden, ist leider durch den EuGH verhindert worden«, sagte Gregor Kolbe vom Verbraucherzentrale Bundesverband. »Ein Wettbewerb um günstige Ersatzteile wird so verhindert, und die Autohersteller werden weiter an jedem Ersatzteil mitverdienen - was zu höheren Preisen für Verbraucher führt. Die Entscheidung des EuGH hilft Autoherstellern und stellt freie Werkstätten und Händler schlechter.«
Können sich Verbraucher trotzdem noch Hoffnung machen?
Ja. Der vorliegende Fall ging mehrere Jahre durch die Vorinstanzen. Die EU-Staaten und das Europaparlament einigten sich allerdings im vergangenen Jahr darauf, dass Autobauer künftig ihre Datensätze in elektronisch verarbeitbarer Form zur Verfügung stellen müssen. Das entsprechende Gesetz soll ab 1. September 2020 gelten.
Gab es schon ähnliche Wettbewerbsverfahren rund um Autoteile und Autohandel?
Ja. Im September 2013 entschied etwa der BGH, dass Besitzer von Gebrauchtwagen von Autoherstellern nicht gezwungen werden können, Reparaturen und Inspektionen nur in Vertragswerkstätten durchführen zu lassen - wenn die Kunden nicht riskieren wollen, die Garantie für ihr Fahrzeug zu verlieren. Die Richter urteilten damals: Eine Garantie für ältere Autos kann nicht mit einer Verpflichtung zu Wartungen nur in den eigenen Stammniederlassungen gekoppelt werden. Viele Autofahrer hatten berichtet, dass Termine bei sogenannter Werkstattbindung oft zu einer höheren Rechnung führten als bei der Nutzung einer freien Autowerkstatt. (dpa)
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