Logo
Aktuell Wirtschaft

Gerhard Cromme wird 80: Keine innere Ruhe für den Ruhestand

Als Chef und Aufseher bestimmte Gerhard Cromme jahrzehntelang den Kurs vieler Großkonzerne maßgeblich mit. Am Samstag wird der Manager 80 Jahre alt. Im Ruhestand ist er deshalb noch lange nicht.

Gerhard Cromme
Dem ehemaligen Krupp-Vorstandsvorsitzenden Gerhard Cromme macht es Spaß, junge Menschen bei ihren Ideen zu unterstützen. Foto: Roland Weihrauch
Dem ehemaligen Krupp-Vorstandsvorsitzenden Gerhard Cromme macht es Spaß, junge Menschen bei ihren Ideen zu unterstützen.
Foto: Roland Weihrauch

Gerhard Cromme macht jetzt in Start-ups: Junge Unternehmen mit coolen Geschäftsideen und hohem Geldbedarf. Aktuell ist der einstige Krupp-Chef und frühere Chefaufseher von Siemens an einem »guten Dutzend« Firmen vor allem mit Technologiebezug beteiligt. »Bei vielen bin ich im Aufsichtsrat oder Beirat, um einfach über die Nähe die Möglichkeit zu haben, mit denen ihre Sorgen zu besprechen und aus meiner Erfahrung dann zu sagen, was ich an ihrer Stelle machen würde«, erzählt Cromme vor seinem 80. Geburtstag an diesem Samstag (25. Februar) der Deutschen Presse-Agentur.

Vor fünf Jahren legte Cromme den Aufsichtsratsvorsitz bei Siemens nieder. Schon damals war klar, dass der hochgewachsene Manager weitermacht als oberster Aufseher beim Gebrauchtwagenvermittler Auto1 Group. Mittlerweile ist er unter anderem Beirat beim Berliner Kristallbatterie-Entwickler Theion oder beim Immobilienunternehmen Aroundtown.

Er wolle zurückgeben, was er im Laufe seines Lebens an Erfahrung gesammelt habe, sagt er zu seiner Motivation. »Aber was mindestens genauso wichtig ist: Es macht mir richtig Spaß, mit den jungen Leuten zusammen zu sitzen. Und wenn ich das Feuer in ihren Augen sehe, wie die kämpfen, wie die sich einsetzen, wie die für ihre Ideen leiden, dann fühle ich mich 50 Jahre jünger. Und dann sage ich: Menschenskinder, denen willst du jetzt helfen, dass sie Erfolg haben.«

Zwei Jahre Doppelspitze bei Thyssenkrupp

Einer größeren Öffentlichkeit wurde der aus dem niedersächsischen Vechta stammende Jurist 1987 bekannt. Damals kündigte er als Chef der Krupp-Stahlsparte die Schließung des traditionsreichen Hüttenwerks in Duisburg-Rheinhausen an und zog den Zorn vieler Stahlarbeiter auf sich. Es folgte ein langer Arbeitskampf, der mit der Schließung des Werks endete.

Als Krupp-Konzernchef war er später einer der Architekten der Fusion mit dem Konkurrenten Thyssen. Nach zwei Jahren Doppelspitze bei Thyssenkrupp wurde Cromme Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns. Nachdem das Unternehmen vor allem wegen misslungener Auslandsgeschäfte Milliardenverluste eingefahren hatte, geriet Cromme unter Druck. 2013 trat er zurück. Eine Mitschuld an dem Milliarden-Debakel wies er stets zurück.

Bei Siemens übernahm er 2007 auf dem Höhepunkt des milliardenschweren Schmiergeldskandals den Aufsichtsratsvorsitz. Cromme half maßgeblich, wieder Ruhe ins Unternehmen zu bringen. Auch bei anderen Schwergewichten der deutschen Wirtschaft saß Cromme im Aufsichtsrat, etwa bei dem Versicherungskonzern Allianz, dem Energieversorger Eon oder der Lufthansa. In Frankreich gehörte er zeitweise den Aufsichtsgremien der Konzerne Saint-Gobain, Suez und BNP Paribas an.

Mit Verdienstorden der französischen Ehrenlegion geehrt

Ohnehin verbindet Cromme viel mit Frankreich, seit er in jungen Jahren an der Pariser Sorbonne studierte. Für seine Verdienste um die deutsch-französische Freundschaft wurde er 2015 mit einer hohen Stufe des Verdienstordens der französischen Ehrenlegion ausgezeichnet.

Cromme engagiert sich auch außerhalb von Unternehmen. An der Business School ESMT in Berlin war Cromme Gründungsaufsichtsratschef. Weiterhin ist er der Management-Schmiede verbunden: Alle paar Wochen bringt er dort Studierende mit erfolgreichen Gründern zusammen, »die schon durch den Scheuersack des Lebens gegangen sind«, wie er es nennt. Eine wichtige Erfahrung, die er weitergeben wolle, sei: »Auch Enttäuschungen oder Niederlagen haben immer was Gutes. Manchmal war das Beste, was mir passiert ist, das, was nicht geklappt hat, weil es Möglichkeiten eröffnet hat, die man sonst überhaupt nicht gehabt hätte.«

Kein Buch in Aussicht

Nach 40 Jahren in Essen haben seine Frau und er ihren Hauptwohnsitz jetzt in den Chiemgau verlegt, wie er sagt. Er wandere viel in den Alpen, gerne auch mit Enkelkindern - 14 habe er. »Wenn man mit allen zusammen ist, muss man schon aufpassen, dass man den Kopf über Wasser hält«, sagt er augenzwinkernd.

Als Vorstandsvorsitzender von Krupp oder auch vorher habe die Familie - Cromme hat vier Töchter - »natürlich gelitten, weil der Papa selten zu Haus war und außerdem noch Dinge machte, die monatelang Schlagzeilen machten und nicht nur unkritisch kommentiert wurden«, sagt er. »Ich bin jetzt dabei, das an meinen Enkeln wiedergutzumachen.«

Obwohl er sicher viel zu erzählen hätte - ein Buch will Cromme nicht schreiben. »Ich habe dafür gar nicht die innere Ruhe. Dafür tut sich zu viel. Ich will machen. Ich will gestalten. Ich will helfen. Ich will aktiv sein, das ist meine Lebensfreude.«

© dpa-infocom, dpa:230224-99-722838/5