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EuGH schließt Zwangshaft gegen Politiker nicht aus

Muss ein Ministerpräsident hinter Gitter, weil seine Regierung EU-Recht nicht umsetzt und Gerichtsurteile ignoriert? Der Europäische Gerichtshof sagt: Nicht ausgeschlossen. Allerdings sind die Hürden hoch.

Markus Söder
Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, ist im Streit mit der Deutschen Umwelthilfe. Foto: Sven Hoppe/dpa
Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, ist im Streit mit der Deutschen Umwelthilfe. Foto: Sven Hoppe/dpa

Luxemburg (dpa) - Zwangshaft gegen Politiker ist bei anhaltenden Verstößen gegen EU-Recht grundsätzlich möglich - aber im Streit der Deutschen Umwelthilfe mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder um Fahrverbote wenig wahrscheinlich.

Dies geht aus einem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs hervor. Die letzte Entscheidung liegt nun beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. (Rechtssache C-752/18)

Der EuGH befasste sich nach eigenen Angaben erstmals mit der Frage einer möglichen Zwangshaft gegen Amtsträger, die sich beharrlich weigern, EU-Recht umzusetzen. Nach Darstellung der obersten EU-Richter ist das in Bayern der Fall.

Wegen zu schmutziger Luft - und der Überschreitung von EU-Grenzwerten - wurde der Freistaat schon 2012 von bayerischen Gerichten verurteilt, den Luftreinhalteplan für München zu ändern. 2016 wurde Bayern unter Androhung von Zwangsgeld aufgefordert, auch mit Hilfe von Diesel-Fahrverboten seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Der Freistaat tat dies aber nicht und wurde deshalb 2017 zu einem Zwangsgeld von 4000 Euro verurteilt. Da Bayern Fahrverbote trotzdem weiter ablehnte, beantragte die Deutsche Umwelthilfe 2018 Zwangshaft gegen den Umweltminister oder hilfsweise den Ministerpräsidenten.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hielt daraufhin fest, dass deutsche Verfassungsurteile einer Zwangshaft in diesem Fall entgegenstünden. Er bat jedoch den EuGH um Auslegung des EU-Rechts. Denn dieses verlangt, »alle erforderlichen Maßnahmen« zu treffen, um die Richtlinie zur Luftreinhaltung einzuhalten.

Der Gerichtshof stellt nun fest, dass »das zuständige nationale Gericht Zwangshaft gegen die Verantwortlichen des Freistaats Bayern zu verhängen hat, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind« - nämlich eine »hinreichend zugängliche, präzise und in ihrer Anwendung vorhersehbare Rechtsgrundlage« sowie die Achtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

Die Umsetzung von EU-Recht sei Pflicht für alle Mitgliedsstaaten und Verstöße gegen Regeln zur Luftreinhaltung könnten die Gesundheit von Menschen gefährden, erklären die Richter. Abzuwägen sei dies aber mit dem Grundrecht auf Freiheit, das nur auf Grundlage einer präzisen und in ihrer Anwendung vorhersehbaren Rechtsvorschrift eingeschränkt werden dürfe.

Da diese eindeutige Rechtslage zur Zwangshaft aus Sicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in Deutschland wohl fehlt, dürfte die Maßnahme gegen Söder und andere bayerische Amtsträger vom Tisch sein. Die Deutsche Umwelthilfe sprach in einer ersten Stellungnahme dennoch von einem »sensationellen Urteil« und erklärte: »Nach Ansicht der DUH sind diese zwei Voraussetzungen durch den Vorlagebeschluss des VGH gegeben.«

Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs