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Bremse bei Cum-Ex-Ermittlungen? Kritik an NRW-Justizminister

Eine Kölner Staatsanwältin geht jahrelang gegen Steuerbetrüger vor - das hat sie zu einem Eckpfeiler im Kampf gegen kriminelle Aktiendeals zu Lasten der Staatskasse gemacht. Dass ausgerechnet sie ihre halbe Mannschaft einbüßen sollte, sorgt für Kopfschütteln.

Benjamin Limbach
Justizminister Benjamin Limbach wird für seine Pläne scharf kritisiert. Foto: David Young/DPA
Justizminister Benjamin Limbach wird für seine Pläne scharf kritisiert.
Foto: David Young/DPA

Bei der Aufarbeitung des Cum-Ex-Steuerskandals steht Nordrhein-Westfalens Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) weiter in der Kritik. Ex-Politiker von CDU, SPD und Grünen äußerten ihr Unverständnis über das Vorgehen Limbachs, in dessen Zuständigkeit die Kölner Staatsanwaltschaft fällt. Diese gilt als federführend bei Ermittlungen im Skandal um Aktiengeschäfte, der den Fiskus schätzungsweise mindestens zehn Milliarden Euro gekostet hat.

Dass Limbach die dortige Cum-Ex-Hauptabteilung unter der renommierten Leiterin Anne Brorhilker aufspalten wollte, sei »völliger Unsinn«, sagte Limbachs Vorgänger, der CDU-Politiker Peter Biesenbach. »Eine Spaltung macht eine Abteilung arbeitsunfähig«, sagte er bei einer Veranstaltung der Bürgerbewegung Finanzwende.

Bei Cum-Ex-Deals ließen sich Finanzakteure Steuern erstatten, die sie gar nicht gezahlt hatten. Die Kölner Staatsanwaltschaft ist bei den Ermittlungen rund um den Steuerbetrug, der von 2006 bis 2011 seine Hochphase hatte, führend. Bei ihr sind rund 120 Cum-Ex-Ermittlungsverfahren gegen 1700 Beschuldigte anhängig, neun Anklagen wurden erhoben. Um die absehbare Flut an Verfahren stemmen zu können, hat das Bonner Landgericht ein extra für Cum-Ex-Fälle vorgesehenes Gebäude bauen lassen.

Scharfe Kritik: »Versuch, einen Leuchtturm zu demontieren«

Angesichts des Ausmaßes steht den Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung ein Kraftakt bevor. Dass die Kölner Cum-Ex-Hauptabteilung umstrukturiert werden sollte, werteten Biesenbach und andere Kritiker als Rückschlag. Nach einer Aufspaltung hätten die Beschäftigten in Parallelstrukturen keinen guten Überblick mehr, wie Kollegen bei anderen, ähnlichen Fällen vorgingen, warnte der Christdemokrat. Informationen würden nicht selbstverständlich ausgetauscht. »Sie zerreißen ein organisch zusammengewachsenes Team.« Die jetzige Hauptabteilungsleiterin Brorhilker habe große Verdienste.

Der frühere SPD-Bundesvorsitzende und NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), der wie Biesenbach ein Unterstützer (Fellow) der Bürgerbewegung Finanzwende ist, interpretierte Limbachs Vorhaben als »Versuch, einen Leuchtturm in der Bekämpfung organisierter Steuerkriminalität zu demontieren«. Es sei »die verdammte Aufgabe der Politik«, jemandem wie Brorhilker den Rücken zu stärken. Dass Minister Limbach genau das Gegenteil tue, sei ein schwerer Fehler. »Wir haben mit Anne Brorhilker eine Oberstaatsanwältin, die [...] auf Augenhöhe gerückt ist mit denen, die hoch bezahlte Verteidiger sind, mit denen, die meinen, dass es alle kleine Würmchen sind, die bei den Ermittlungsbehörden arbeiten«, sagte Walter-Borjans. »Wir haben es mit einer Gegenseite zu tun, die mit allen Wassern gewaschen ist.«

Limbachs Zurückrudern nur kurze Pause für eigene Pläne?

Limbach hatte sein Vorhaben unter anderem damit begründet, dass er mit der Installierung eines zweiten Hauptabteilungsleiters die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen wollte. Am Wochenende gab Limbach bekannt, dass er Kritik ernst nehme und die geplante Umstrukturierung vorerst ausgesetzt werde. Wenn man geeignetere Wege finde, sei er »selbstverständlich auch offen dafür, die in Rede stehende Organisationsentscheidung rückgängig zu machen«, hieß es in einem Schreiben Limbachs an die rechtspolitischen Sprecher der Fraktionen im Landtag Nordrhein-Westfalens.

Nach Lesart des Vorstands der Bürgerbewegung Finanzwende, Gerhard Schick, ist diese Bekanntmachung aber nur eine kurze Pause in der Auseinandersetzung um eine mögliche Zerschlagung der Cum-Ex-Abteilung in Köln. »Wir müssen davon ausgehen, dass Benjamin Limbach nach dieser Pause in die falsche Richtung weiterfährt«, sagte der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete. Die Pläne von Limbach nannte Schick kontraproduktiv und schädlich bei der Cum-Ex-Aufarbeitung.

Biesenbach sprach sich zudem dafür aus, dass der Staat mehr Einsatz zeigt bei der Aufarbeitung des Steuerskandals. Es seien nicht nur mehr Staatsanwälte, sondern auch Steuerfahnder und Kriminalbeamte nötig, die mit dem komplexen Sachverhalt vertraut seien, sagte er.

Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals steht noch am Anfang

Die Kölner Staatsanwaltschaft hat derzeit 36 Stellen, die sich mit Cum-Ex befassen. Eine Aufstockung auf etwa 50 Stellen wäre wünschenswert, sagte Biesenbach. In seiner 2022 beendeten Amtszeit habe er die Cum-Ex-Hauptabteilung personell deutlich gestärkt, sein Nachfolger Limbach sollte das fortsetzen.

Die Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals steht noch am Anfang. Abgeschlossen sind erst einige wenige Verfahren. So wurde Hanno Berger, der als Architekt der Cum-Ex-Deals in Deutschland gilt, am Landgericht Bonn und am Landgericht Wiesbaden in zwei verschiedenen Verfahren zu jeweils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Derzeit läuft in Bonn ein Strafprozess gegen den Gesellschafter der Hamburger Privatbank Warburg, Christian Olearius. Die Vorwürfe besonders schwerer Steuerhinterziehung weist der 81-Jährige zurück.

© dpa-infocom, dpa:231009-99-502311/2