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Beschäftigte ohne Tarifvertrag verdienen deutlich weniger

Ökonomen der Hans-Böckler-Stiftung haben die Tarifbindung in den Bundesländern untersucht. Das Ergebnis: Ohne Tarifvertrag müssen Beschäftigte mehr arbeiten, verdienen im Durchschnitt aber weniger.

Arbeiter
Der deutliche Rückgang der Tarifbindung seit der Jahrtausendwende habe negative Konsequenzen für die Beschäftigten und die Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten, analysiert die Hans-Böckler-Stiftung (Symbolbild). Foto: Stefan Sauer
Der deutliche Rückgang der Tarifbindung seit der Jahrtausendwende habe negative Konsequenzen für die Beschäftigten und die Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten, analysiert die Hans-Böckler-Stiftung (Symbolbild).
Foto: Stefan Sauer

Betriebe mit Tarifvertrag bieten laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung deutlich bessere Arbeitsbedingungen als vergleichbare Betriebe ohne Tarifbindung.

So arbeiteten Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben im Mittel wöchentlich 54 Minuten länger, berichtete das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Stiftung in Düsseldorf. Sie verdienten trotzdem elf Prozent weniger als Beschäftigte in vergleichbaren Betrieben mit Tarifbindung. »In Zeiten stark steigender Lebenshaltungskosten verfügen Beschäftigte in tarifgebundenen Betrieben deswegen eher über ein kleines finanzielles Polster«, stellen die Studienautoren fest.

Der deutliche Rückgang der Tarifbindung seit der Jahrtausendwende habe negative Konsequenzen für die Beschäftigten und die Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten, hieß es weiter. Während im Jahr 2000 noch mehr als zwei Drittel der Beschäftigten (68 Prozent) in Deutschland in tarifgebundenen Betrieben beschäftigt gewesen seien, habe dieser Anteil 2021 nur noch bei gut der Hälfte (52 Prozent) gelegen. Die Autoren stellten dabei ein West-Ost-Gefälle fest. So habe der Anteil der tarifgebundenen Arbeitsplätze in Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen zuletzt noch zwischen 59 und 55 Prozent gelegen. »Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Brandenburg und Thüringen kommen hingegen nur noch auf einen Anteil von 41 bis 46 Prozent tarifgebundener Arbeitsplätze.«

Deutliche Lohnunterschiede

Bei den Löhnen sei der Rückstand der tariflosen Betriebe besonders in Ostdeutschland sehr ausgeprägt. So verdienten Beschäftigte in tariflosen Betrieben in Brandenburg rund 15 Prozent weniger als jene in vergleichbaren Betrieben mit Tarifvertrag. In Sachsen-Anhalt betrage der Rückstand 14 Prozent. »Um auf ein volles Jahresgehalt ihrer Kolleg/innen mit Tarifvertrag zu kommen, müssen Beschäftigte in tariflosen Betrieben hier also bis in den März des Folgejahres hineinarbeiten.«

Bei der Arbeitszeit seien hingegen die Unterschiede in Westdeutschland besonders eklatant. Am größten sei die Differenz in Baden-Württemberg, wo Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Unternehmen regulär fast anderthalb Stunden (87 Minuten) pro Woche zusätzlich arbeiteten. In Bremen seien es 61 Minuten und im Saarland 60 Minuten. »Über das Jahr gesehen entspricht dies mehr als einer zusätzlichen Arbeitswoche.«

© dpa-infocom, dpa:230419-99-368103/2