Die deutsche Industrie hat vor Beginn der Hannover Messe effizientere, schnellere und mehr digitale Verfahren in der Verwaltung gefordert.
»Es gibt viele Länder, die schlechter sind als wir, aber auch Länder, die besser sind«, sagte der Präsident des Branchenverbandes BDI, Siegfried Russwurm, am Sonntag auf einem Wirtschaftsforum zur Frage, wie er die Rahmenbedingungen einschätze. »Seit 15 Jahre rede ich jetzt schon über eine elektronische Gesundheitskarte. Ich komme mir schon vor wie ein Zombie.«
Es sei ein wichtiges Signal, dass die größte Industrieschau wieder eine Präsenzmesse sei. Deutschland bleibe ein starkes Industrieland, aber Rohstoffreichtum und günstige Produktionskosten seien eher andernorts zu finden. »Dann bleibt nur Innovation«, sagte Russwurm. »Deswegen ist diese Messe so wichtig.«
Es sei vor allem gespannt, was zur Digitalisierung gezeigt werde. »Hier in den nächsten Tagen ein Gesamtbild zu bekommen, hilft dann schon.« Der Klimaschutz sei ebenso zentral, vor allem die Kopplung verschiedener Sektoren über eine zunehmende Versorgung mit erneuerbarer Energie.
DGB: Es braucht eine schnellere Planung
DGB-Chefin Yasmin Fahimi stimmte insofern zu, als es nicht nur um mehr staatliche Investitionen und öffentliche Förderung gehen müsse, sondern auch um raschere Planung sowie die Umsetzung in den Regionen mit Berücksichtigung von Weiterqualifikation und Einbindung von Zulieferern. Außerdem müssten hinreichende Mittel etwa zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft bereitgestellt werden.
Siemens-Manager Cedrik Neike sagte, nötig sei besonders mehr Energieeffizienz in der Produktion. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit gerissenen Lieferketten in der Corona-Krise sprach sich der fürs digitale Industriegeschäft zuständige Vorstand zudem für flexiblere Einkaufsnetzwerke aus: »Wir werden unsere Lieferketten viel mehr lokalisieren.« Dass viele Genehmigungs- und Prüfverfahren in Deutschland oft zu lange dauerten, sehe er ebenso: »Wir sind das Land der Erfinder, aber wir sind nicht das Land der Beschleuniger.«
Russwurm hält trotz des Ukraine-Krieges in der deutschen Industrie 2022 ein Exportwachstum von 2,5 Prozent für möglich. Dies sei aber abhängig von einer Linderung der Probleme in vielen Lieferketten sowie dem Verzicht auf ein Gasembargo gegenüber Russland, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag). Klar sei bei alldem, dass die Führung in Moskau die Verantwortung für die heikle Lage trage: »Der Krieg in der Ukraine überstrahlt natürlich alles. Putin hat sich ins Abseits gestellt.« Russland sei nun »disqualifiziert über eine Zeit, die wir noch gar nicht absehen können«.
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