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Übernahmen und Fusionen: Opel baut seit 125 Jahren Fahrzeuge

Nach Nähmaschinen und Fahrrädern stieg Opel vor 125 Jahren in den Bau von Automobilen ein. Mit Festakt und Kanzlerbesuch sollen die Firmengeschichte und die elektrische Zukunft gefeiert werden.

125 Jahre Fahrzeugbau bei Opel
Die Endfertigung des Opel Kadett Modell A: Opel blickt auf 125 Jahre Fahrzeugbau voller gewaltiger Umbrüche zurück. Foto: Fuchs/DPA
Die Endfertigung des Opel Kadett Modell A: Opel blickt auf 125 Jahre Fahrzeugbau voller gewaltiger Umbrüche zurück.
Foto: Fuchs/DPA

Opel ist wieder im Geschäft. Als einzige deutsche Marke im europäisch-amerikanischen Konzern Stellantis verdient die Automarke mit dem Blitz seit einigen Jahren wieder Geld - nach einer schmerzhaften Sanierungskur mit dem Abbau Tausender Stellen und deutlich eingedampften Standorten.

Am Stammsitz Rüsselsheim wird morgen das Jubiläum zu 125 Jahren Fahrzeugbau gefeiert, zu dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet wird. Ins Zentrum stellt der Hersteller seine Elektro-Strategie, die Konzernchef Carlos Tavares gegen China-Importe durchsetzen will.

Seit 1899 hat Opel mehr als 75 Millionen Fahrzeuge auf die Räder gestellt. Die Entscheidung für den Automobilbau fiel kurz nach dem Tod des Firmengründers Adam von Opel, der die Fabrik am Main mit Nähmaschinen und Fahrrädern groß gemacht hatte. Der gut ausgebildete Mitarbeiterstamm und ähnliche Produktionsweisen waren die Grundvoraussetzungen für den Aufstieg zum größten deutschen Autohersteller in den 1920er-Jahren, bevor Adams Nachkommen das Unternehmen an den US-Konzern General Motors verkauften.

Der »Laubfrosch« als Erfolgsmodell

Der 1899 aus Dessau übernommene Patentmotorwagen des Autopioniers Friedrich Lutzmann erwies sich schnell als technisch unterlegen: Bis 1901 wurden lediglich 65 Wagen hergestellt, die noch stark an Pferdekutschen erinnerten. Erst in der Kooperation mit dem französischen Hersteller Darracq gelang der Einstieg in das neue Technologie-Zeitalter. Der sogenannte Doktorwagen 4/8 PS und erst recht der seit 1924 am Fließband hergestellte »Laubfrosch« waren Erfolgsmodelle aus Rüsselsheim.

Die Machtübernahme durch das NS-Regime änderte zunächst nichts an dem Engagement der 1929 eingestiegenen Amerikaner. Opel wurde mit dem P4, dem Lastwagen Blitz und dem Olympia mit selbsttragender Stahlkarosserie zum größten Autohersteller Europas. Im Zweiten Weltkrieg stellte der NS-Staat die Werke komplett auf Kriegsproduktion um, auch tausende Zwangsarbeiter wurden eingesetzt. Der US-Konzern General Motors (GM) wurde während des Kriegs zwar kaltgestellt, beanspruchte aber später Gewinnanteile aus der Nazi-Zeit.

Vom Marktführer zur Verlierermarke

Im westdeutschen Wirtschaftswunder stieg Opel zum zwischenzeitlichen Marktführer und wichtigsten Kontrahenten des VW-Konzerns auf. Rekord, Kapitän und der kompakte Kadett aus Bochum waren Bestseller, später trugen auch der Kleinwagen Corsa und der Sportwagen Manta zum Erfolg der Marke mit dem Blitz bei. Der Abstieg setzte Ende der 80er-Jahre mit dem »Lopez-Effekt« ein, benannt nach dem Manager José Ignacio López, der Zulieferer ohne Rücksicht auf die Qualität im Preis drückte. Die Opel-Modelle verloren endgültig ihren Zuverlässigkeits-Nimbus, die aus Detroit entsandten Manager wechselten in immer kürzeren Abständen.

Dass Opel Anfang der 1990er-Jahre aber noch eine große Nummer im deutschen Automarkt war, zeigte die Rekordinvestition von rund einer Milliarde D-Mark in ein neues Werk in der thüringischen Autostadt Eisenach. Dort war schon 1990 der erste Opel Vectra von einem früheren Wartburg-Band gerollt, die neue Fabrik öffnete dann im September 1992, keine zwei Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung.

GM-Modelle fliegen aus dem Portfolio

Nach 20 verlustreichen Jahren in Folge übernahm im Sommer 2017 die Peugeot-Mutter PSA von GM den Opel/Vauxhall-Produktionsverbund mit Werken unter anderem in Großbritannien, Polen, Spanien und Deutschland. »Opel hat sich seit den 1990er Jahren zu einer Verlierermarke entwickelt und war fast 'klinisch tot'«, beschreibt Auto-Experte Stefan Bratzel die Lage. Die zu aufwendig geplanten und zu teuer produzierten GM-Modelle flogen nacheinander aus dem Portfolio. Seit 2022 läuft jeder Opel allein mit der Technik des neuen Mutterkonzerns, der mit Fiat-Chrysler zu Stellantis fusionierte.

Eine Episode blieben Pläne aus der Finanzkrise 2008/2009, den Autobauer an ein Konsortium aus dem kanadischen Zulieferer Magna und der russischen Sberbank zu verkaufen. Trotz bereits zugesagter staatlicher Überbrückungskredite und fortgeschrittener EU-Untersuchungen sagte GM den Deal in letzter Minute ab und versuchte in der Folge, Opel mit Massenentlassungen gesundzuschrumpfen. Noch 1990 waren bei Opel mehr als 57.000 Menschen beschäftigt, unter anderem wurde dann das Kadett/Astra-Werk in Bochum dicht gemacht.

Rigorose Schrumpfkur

Auch nach der Übernahme durch PSA wurden tausende Jobs abgebaut. Laut IG Metall hat sich die Zahl der Beschäftigten seit 2017 an den verbliebenen Standorten geradezu halbiert. Stellantis nennt zum Jahresende in Rüsselsheim 8300 Beschäftigte, 1100 in Eisenach, 1000 in Kaiserslautern und mehr als 570 in Bochum. Dazu kommen noch 1100 Menschen in den Stellantis-eigenen Vertriebseinheiten.

Es habe in den letzten Jahren »mächtig geruckelt«, sagt der Chef des IG-Metall-Bezirks Mitte, Jörg Köhlinger. »Der stetige Arbeitsplatzabbau hat zu viel Frust in der Belegschaft geführt. Ich bin mir aber sicher, dass unter dem Dach von GM keine Zukunft für Opel und die Beschäftigten bestanden hätte.«

Übernahme durch PSA als Glücksfall

»Opel ist und bleibt eine von vielen Marken im Stellantis-Konzern. Als eigenständiger Autohersteller hätten sie nicht überleben können«, sagt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Für Opel bedeute die Zugehörigkeit zum Stellantis-Konzern relative Sicherheit und Anschluss an moderne Technologien. »Sie können so zeitgemäße Autos anbieten.«

Sein Kollege Bratzel spricht bei der Übernahme durch PSA von einem »Glücksfall« für Opel. Wenn es gelinge, die Modellentwicklung auf Basis der Stellantis-Plattformen mit attraktivem Design zu verbinden, habe Opel im Zuge der Elektromobilität gute Überlebenschancen.

Die Zukunft: elektrisch

Zum Jubiläum verweist Opel-Chef Florian Hüttl darauf, dass in jeder Fahrzeugreihe mindestens ein rein elektrisches Modell angeboten werde. Mit einem Absatzplus von 15 Prozent ist Opel 2023 so stark gewachsen wie seit 20 Jahren nicht mehr. Weltweit konnten die Verkäufe auf rund 670.000 Fahrzeuge gesteigert werden, die höchste Zulassungszahl seit vier Jahren.

Die Verkäufe außerhalb Europas zogen um 62 Prozent auf mehr als 100.000 Fahrzeuge an. Auf dem deutschen Heimatmarkt schloss man das Jahr 2023 mit einem Marktanteil von 5,3 Prozent ab, in Großbritannien und der Türkei sind es sogar 6 Prozent.

Neue Modelle ab 2025 nur noch mit Batterie

Zum Festakt kündigt Huettl einen noch entschiedeneren Kurs hin zur Elektromobilität an: »Ab 2025 wird jedes neue Opel-Modell rein batterie-elektrisch sein. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Ziel des Stellantis-Konzerns, bis 2038 CO2-neutral zu sein. Wir liefern deutsche Ingenieurskunst für alle. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die wir natürlich fortschreiben wollen - bis 2030 und deutlich darüber hinaus.«

Dazu passt allerdings nicht, dass die Stellantis-Beteiligung ACC gerade das geplante Batteriewerk am Opel-Standort Kaiserslautern mit rund 2000 Arbeitsplätzen auf Eis gelegt hat. Als Grund wird die schwache Nachfrage nach E-Autos im europäischen Markt genannt.

Dudenhöffer sieht die Opel-Zukunft etwas problematischer: »Stellantis hat langfristig das Problem, dass sie auf dem chinesischen Markt keine Rolle spielen.« Schon 2030 würden die dortigen Stückzahlen die zusammengefassten Märkte der USA und Europa übertreffen. »Wer nicht in China ist, ist eigentlich nicht im Autogeschäft.« Stellantis hat sich daher beim chinesischen Autobauer Leapmotor eingekauft, der schnell billige E-Modelle ins Konzern-Portfolio bringen kann.

© dpa-infocom, dpa:240607-99-306311/2