Frankfurt (dpa) - Experten rechnen auch 2020 weiter mit einem zu hohen Angebot an Rohöl. Neben einer schwächelnden Weltwirtschaft - gebremst durch internationale Handelskonflikte - bildet vor allem die rekordhohe Fördermenge in den USA das Gegengewicht zur Politik der Opec-Staaten.
Für Verbraucher und Unternehmen ist das eine positive Entwicklung. Experten sehen im kommenden Jahr kaum Potenzial für einen stärkeren Anstieg der Ölpreise, was die Kosten für Treibstoff und Heizöl stabil halten dürfte.
Kurz vor dem Jahresende stemmte sich die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) gemeinsam mit den in der »Opec+« zusammengefassten Ölstaaten abermals gegen das Überangebot auf dem Weltmarkt und brachte eine noch stärkere Kürzung der Fördermenge auf den Weg. Mit dem neuen Abkommen will die Opec+ vorerst insgesamt 2,1 Millionen Barrel Öl weniger pro Tag produzieren als im Oktober 2018. Allerdings hat sich schon in den vergangenen Monaten gezeigt: Beschlossene Kürzungen werden in der Praxis nur lückenhaft umgesetzt. Saudi-Arabien musste mit einer freiwilligen Senkung der eigenen Produktion einspringen, um die Ölpreise wie gewünscht zu stützen.
Allerdings wird die Förderkürzung den weltweiten Ölmarkt nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) nicht ins Gleichgewicht bringen. Es sei vielmehr weiter mit einem Überangebot zu rechnen. Die Experten des Interessenverbands führender Industriestaaten erwarten eine »komfortable Angebotslage« und die Ursache hierfür liege in einer immer stärker steigenden Fördermenge in Ölstaaten außerhalb der Opec+.
Vor allem die Rekord-Förderung in den USA gilt als Ursache für das Überangebot. Das hohe Angebot hatte zur Folge, dass die Ölpreise 2019 trotz geopolitischer Risiken und eines militärischen Angriffs auf die Ölindustrie in Saudi-Arabien kaum aus einer vergleichsweise engen Handelsspanne ausbrechen konnten. Vom US-Energieministerium werden dank der Fracking-Methode immer neue Höchstmengen gemeldet. Der jüngste Rekordstand wurde im Dezember erreicht, als zeitweise durchschnittlich 12,9 Millionen Barrel pro Tag an die Oberfläche gepumpt wurden.
Darüber hinaus lastet eine vergleichsweise schwache Weltwirtschaft auf den Ölpreisen. Konjunkturexperten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) rechnen 2020 mit einer Fortsetzung der eher flauen Konjunktur. Vor allem das Wachstum in China wird demnach spürbar schwächer ausfallen. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt dürfte in der Funktion als Konjunkturlokomotive weiter an Kraft verlieren.
Gebremst wird die Weltwirtschaft vor allem durch den Handelskonflikt zwischen den USA und China, der immer wieder heftige Preisreaktionen am Ölmarkt auslöste. Trotz intensiver Bemühungen und zahlreicher Handelsgespräche für ein Teilabkommen: Der Konflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften bedroht auch 2020 den Welthandel. Nach Einschätzung des Frankfurter Bankhauses Metzler »schwebt die Angst vor einer merklichen konjunkturellen Abschwächung (...) wie ein Damoklesschwert über den Notierungen«.
Während gute Gründe für eher sinkende Ölpreise sprechen, wird sich einer der Hauptakteure auf dem Ölmarkt auch 2020 mit aller Macht gegen einen Preisverfall stemmen: Saudi-Arabien. Nach Einschätzung der Rohstoffexpertin Dora Borbely von der Dekabank wird das Königreich am Persischen Golf auch 2020 Druck ausüben. Die Opec werde die eigene Förderung wohl weiter drosseln müssen, um einen Angebotsüberschuss und damit einen Ölpreisverfall zu verhindern. »Der Börsengang von Saudi Aramco bestätigt uns in der Annahme, dass die Opec hierzu bereit sein wird«, sagte Borbely.
Seit etwa einem halben Jahr hielt sich der Preis für Rohöl aus den USA mit Ausnahme eines kurzen Ausreißers in der Spanne zwischen 50 und 60 Dollar je Barrel (159 Liter) und der Preis für Nordsee-Öl der Sorte Brent in der Spanne zwischen 56 und 66 Dollar. Von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragte Analysten rechnen 2020 nicht mit größeren Veränderungen. Demnach wird im Mittel beim US-Öl Ende 2020 ein Preis von etwa 58,50 Dollar je Barrel erwartet, beim Nordsee-Öl werden im Mittel knapp 63 Dollar prognostiziert.