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Überraschende Flucht aus Japan

Der Fall des tief gesunkenen Ex-Autobosses Carlos Ghosn ist so schon spektakulär genug. Monatelang saß er in Japan im Gefängnis, schließlich wurde er auf Kaution freigelassen. Nun ist er ohne Genehmigung der japanischen Behörden in den Libanon ausgereist.

Ex-Autoboss Ghosn überraschend im Libanon aufgetaucht
Carlos Ghosn, Automanager und ehemaliger Chef von Nissan, spricht während einer Pressekonferenz in Yokohama. Foto: Koji Sasahara/AP/dpa
Carlos Ghosn, Automanager und ehemaliger Chef von Nissan, spricht während einer Pressekonferenz in Yokohama. Foto: Koji Sasahara/AP/dpa

Beirut/Tokio/Paris (dpa) - Der in Japan auf Kaution freigelassene frühere Autoboss Carlos Ghosn ist völlig überraschend in den Libanon geflüchtet.

Er sei »nicht länger eine Geisel des manipulierten japanischen Justizsystems«, erklärte der frühere Konzernchef von Renault am Dienstag in einer Stellungnahme. Japans Justiz habe ihm grundlegende Rechte verwehrt, das Prinzip der Unschuldsvermutung ignoriert und gegen internationale Abkommen verstoßen. »Ich bin dem Unrecht und politischer Verfolgung entkommen.« Am 19. November 2018 war Ghosn in Tokio wegen Verstoßes gegen Börsenauflagen festgenommen und angeklagt worden.

Ghosn, der neben der französischen und brasilianischen auch die libanesische Staatsangehörigkeit hat und ein Luxusanwesen in Beirut besitzt, war im April auf Kaution aus der Untersuchungshaft in Japan entlassen worden - unter strengen Auflagen, um zu verhindern, dass er flieht oder Beweismaterial vertuscht. Unter anderem wurde ihm verboten, das Land zu verlassen. Diese Auflagen wurden nie aufgehoben, wie das zuständige Bezirksgericht in Tokio laut der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo klarstellte.

Aus dem Außenministerium in Tokio hieß es, Japans Regierung sei nun auf Hilfe der libanesischen Behörden angewiesen, da kein Auslieferungsabkommen mit dem Mittelmeerstaat bestehe, wie der Sender NHK berichtete. In der Nacht zuvor hatte es erste Berichte aus dem Libanon gegeben, dass Ghosn völlig überraschend an Bord eines Privatjets in Beirut gelandet sei - und das schon am Sonntagabend. Libanesische Sicherheitskreise bestätigten dies der Deutschen Presse-Agentur.

Der libanesische Staatsminister und Präsidentenberater Salim Jreissati betonte gegenüber der libanesischen Zeitung Al-Nahar, dass Ghosn legal ins Land gereist sei. »Alles was wir wissen ist, dass er mit seinem französischen Pass legal am Rafik-Hariri-Flughafen eingereist ist.«

Die französischen Behörden wurden nicht über Ghosns Abreise aus Japan informiert, wie es aus dem Außenministerium hieß. Man habe außerdem keine Kenntnis von den Umständen seiner Abreise und von dieser aus der Presse erfahren. »Herr Carlos Ghosn genoss, wie jeder französische Staatsbürger, von den ersten Stunden seiner Verhaftung in Japan an konsularischen Schutz«, hieß es weiter. Der französische Botschafter in Japan habe auf Wunsch Frankreichs Kontakt zu Ghosn gehalten.

Die Staatssekretärin im französischen Wirtschafts- und Finanzministerium, Agnès Pannier-Runacher, hatte am Morgen betont, dass man in Frankreich wütend wäre, wenn ein ausländischer Staatsbürger vor der französischen Justiz fliehen würde. Ghosn stehe nicht über dem Gesetz. Man müsse nun aber erstmal verstehen, was überhaupt passiert sei.

Ghosn gilt als Architekt des internationalen Autobündnisses zwischen Renault, Nissan und Mitsubishi. Er soll laut Staatsanwaltschaft auch private Investitionsverluste auf Nissan übertragen haben. Nur wenige Tage nach seiner Festnahme wurde er von Nissan und kurz darauf auch Mitsubishi Motors als Verwaltungsratschef gefeuert. Im Januar trat er schließlich auch von seinem Posten als Renault-Konzernchef zurück. Ghosn hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe stets zurückgewiesen. In seiner Stellungnahme erklärte er weiter: »Ich kann nun endlich frei mit den Medien kommunizieren, was ich ab nächster Woche tun werde.«

Ghosns Ehefrau Carole hatte in der Vergangenheit US-Präsident Donald Trump und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron um Hilfe in dem Fall gebeten. Macron hatte damals erklärt, dass er sich als Präsident nicht öffentlich in einen Rechtsfall einmischen könne. Carole Ghosn hatte immer wieder die Haftbedingungen ihres Mannes scharf kritisiert und angezweifelt, dass er einen fairen Prozess bekomme.