Sie verwandelt Milch in Käse. Dafür fährt Steffi Heidrich mit ihrem umgebauten Lastwagen zu Bauernhöfen in Norddeutschland.
An diesem Vormittag ist »Heidi's mobile Käserei« auf einem Betrieb in der niedersächsischen Gemeinde Wilstedt im Kreis Rotenburg. Kurz nach der Ankunft fließen rund 1000 Liter Milch durch Schläuche in einen großen Edelstahlbehälter, der im Innenraum des Lastwagens steht. Es brummt, manchmal zischt es. Routiniert drückt die 39-Jährige verschiedene Knöpfe an der Anlage, dann kontrolliert sie die Temperatur der Milch im Käsekessel.
Die mobile Käserin mit Haarnetz, Schürze und blitzblanksauberen Gummistiefeln gießt Lab in den Kessel - ein Enzym, das die Milch zum Gerinnen bringt. Die Milch wird dicker. Um kleinere Bruchstücke zu bekommen, zerteilt Heidrich die Masse mit einem Schneidewerkzeug, der sogenannten Käseharfe. Immer wieder riecht und fühlt sie, um zu wissen, wann und wie schnell sie den sogenannten Bruch schneiden sollte. »Das ist Handarbeit«, sagt sie sichtlich zufrieden. Nachdem die Molke abgeflossen ist, füllt die Käserin die krümelige Masse in runde Formen. Das Flechtmuster am Boden wird die Käserinde prägen.
Zwei Standardsorten stellt die gelernte Molkereifachfrau in ihrer mobilen Käserei her - halbfesten Schnittkäse und Halbhartkäse. Sie bilden die Grundlage für sieben Varianten - etwa mit verschiedenen Kräutern. Auf Wunsch sind weitere Käsesorten möglich. Genau gleich schmeckt es Heidrich zufolge nie. »Der Rohstoff Milch ist ganz, ganz spannend«, sagt sie sichtlich begeistert von ihrem Job. Jede Milch sei anders. »Das sehe ich beim Käsen selber und auch geschmacklich - wie unterschiedlich die Käse sind, das ist unglaublich.«
Landwirt Ralf Meyer bestätigt das. »Milch ist definitiv nicht gleich Milch«, sagt er. Der Chef des Milchkontors Wilstedt erklärt, dass die Art des Futters für die Kühe und die Rasse der Tiere Einfluss auf den Geschmack der Milch haben. Sein Betrieb hat knapp 60 Kühe. »Wir sind ein Mini-Betrieb«, sagt er. Hauptstandbein ist der Verkauf von Eis und anderen Milchprodukten an Restaurants und Cafés sowie der Betrieb eines Hofladens und einer Eisdiele. »Für uns war es eine schöne Ergänzung, den Käse zu machen.« Aus den rund 1000 Litern Milch, die an diesem Morgen in den Lastwagen fließen, werden 100 Kilo Käse.
Der Käse reift mindestens fünf Wochen
Rund 60 Kunden hat »Heidi's mobile Käserei« (der Name spielt auf Steffi Heidrichs Nachnamen und die berühmte Kinderbuchfigur von der Alm an) inzwischen - ihr im Jahr 2018 gegründetes Unternehmen ist kräftig gewachsen. Anfangs arbeitete die Mutter von drei Kindern in einem speziell eingerichteten Anhänger, nun fährt sie einen 12-Tonner im Wert eines kleinen Einfamilienhauses.
Sie hat neun Angestellte - darunter ihren Mann, der auch Käse herstellt. Andere Beschäftigte sind für die Käsepflege zuständig. Im Lager werden die Laibe regelmäßig mit Bakterien eingerieben, welche die Rinde bilden. »Der Käse lebt. Er verändert sich«, erklärt die 39-Jährige. In der Regel reift ihr Käse mindestens fünf Wochen.
Die Pandemie hat der mobilen Käserei Auftrieb gegeben. »Mir hat Corona voll in die Hände gespielt«, erzählt Heidrich. »Viele Leute wollten nicht mehr in den Einkaufsladen, sie wollten regionale Produkte.« Nach Angaben der Verbraucherzentrale Niedersachsen ist die Nachfrage nach regionalen Produkten in den vergangenen Jahren gestiegen. »Regionalität ist ein Qualitätsmerkmal«, sagt die Ernährungsexpertin Anneke von Reeken. Bei Hofkäse wüssten die Kunden, was im Produkt drinsteckt. »Der Vorteil ist, dass es genau die Milch von dem Hof ist und keine Vermischung stattfindet«, so von Reeken. Kundinnen und Kunden könnten sehen, wie die Kühe gehalten werden.
Für Landwirte und Landwirtinnen sind mobile Käsereien eine Möglichkeit, den Einstieg in die eigene Milchverarbeitung zu testen, wie Marc Albrecht-Seidel vom Verband für handwerkliche Milchverarbeitung mitteilt. Er verweist darauf, dass die Betriebe keine teuren Investitionen in Gebäude und Technik brauchen. »Beides bringt die mobile Käserei mit.« Die Käse werden in der Regel an einem Standort der mobilen Käserei gereift und dann dem Milchviehbetrieb zurückgegeben. Die Auszahlungspreise der Molkereien sind für kleine Betriebe mitunter nicht ausreichend. »Wenn die Betriebe nicht wachsen wollen, ist die hofeigene Milchverarbeitung eine gute Möglichkeit, die Wertschöpfung auf gleicher Fläche zu steigern.«
Rund 20 mobile Käsereien gibt es dem Verband zufolge derzeit in Deutschland. »Für die nächsten Jahre ist ein weiteres Wachstum sehr wahrscheinlich«, so Albrecht-Seidel. Käserin Heidrich freut sich über die Entwicklung. »Es sind Gott sei Dank noch ein paar mobile Käser dazugekommen«, sagt sie mit Blick auf neue Kollegen in Norddeutschland. Auch sie erwartet, dass die Nachfrage nach Hofkäse weiter steigt. »Kurze Produktionswege und die handwerkliche Herstellung werden die Zukunft sein«, sagt sie.
Über den Verband für handwerkliche Milchverarbeitung
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