BERLIN. Energydrinks wie Red?Bull oder Monster liegen bei Jugendlichen, aber auch schon bei Kindern, voll im Trend. Die Getränke werden von den Herstellern als schnelle Energiequelle beworben. Doch warnende Stimmen von Experten überschlagen sich. Eine gesetzliche Altersgrenze in Deutschland ist bisher nicht in Sicht. Rebekka Siegmann, Campaignerin bei Foodwatch e.?V., will das ändern. Die Chemikerin weiß um die Gefahren der beliebten Getränke.
Energydrinks enthalten neben Zucker besonders hohe Mengen Koffein – oft dreimal so viel wie Cola. Schon eine einzige Dose hat erhebliche Auswirkungen, zeigt die EDUCATE-Studie der LMU München aus dem Jahr 2023. »Die Mediziner haben mit Jugendlichen einen Test durchgeführt. Die Teenager haben nur eine Dose getrunken und auch nur das, was laut Richtlinien [also der empfohlenen Koffeinhöchstdosis der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, Anm. d. Red.] noch in Ordnung ist«, so Siegmann. Trotzdem blieb der Blutdruck der Probanden über einen längeren Zeitraum hoch, Arterien versteiften sich: Ein erster Schritt Richtung Herz-Kreislauf-Krankheiten, die laut Statistischem Bundesamt in Deutschland als häufigste Todesursache genannt werden. »Man hat gesehen, dass Kinder und Jugendliche, obwohl sie nur einmal eine Dose trinken, sofort eine Stunde weniger schlafen. Für mich heißt das, dass es ein gefährlicher Wachmacher ist«, sagt die Foodwatch-Expertin.
»Für mich heißt das, dass es ein gefährlicher Wachmacher ist«
Außerdem wurde festgestellt, dass nach dem Konsum vermehrt zusätzliche Herzschläge auftreten. Diese Extraschläge sind zwar meist harmlos, können in Kombination mit anderen Faktoren wie beispielsweise Sport, das Risiko für ernsthafte Herzrhythmusstörungen aber deutlich erhöhen. Doch gerade diese Kombi scheint bei Minderjährigen beliebt zu sein, wie Siegmann anmerkt: »Eiskalte Energydrinks werden häufig einfach fix vor dem Sport heruntergekippt– das kann super gefährlich werden, weil das Herz ohnehin schon belastet ist« – und bei Heranwachsenden, ebenso wie das Gehirn und das Herz-Kreislauf-System, noch nicht vollends entwickelt.
Besonders leichtgewichtige Kinder erreichen schnell das obere Koffeinlimit, betont Siegmann: »Bei 40 Kilo ist mit einer Dose das ordentliche Maß schon überschritten.« Bei hohem Koffeinkonsum sind laut EDUCATE-Studie dann auch weitere schwerwiegendere Folgen wie unkontrolliertes Muskelzittern und Veränderungen im Elektrokardiogramm möglich.
»Eiskalte Energydrinks werden häufig einfach fix vor dem Sport heruntergekippt«
In Deutschland gibt es bis dato keine gesetzliche Altersgrenze für den Verkauf von Energydrinks. Das bedeutet: Kinder und Jugendliche dürfen die Getränke legal kaufen und konsumieren, egal ob sie 12 oder 16 Jahre alt sind. Einige Supermarktketten (darunter REWE, Edeka und Kaufland) haben freiwillig Verkaufsbeschränkungen eingeführt und geben Energydrinks nicht an unter 16- oder 18-Jährige ab. Eine Altersgrenze von 18 Jahren gibt es derweil in Ländern wie Lettland, Rumänien oder Polen. »Wobei Lettland sogar reguliert hat, dass es keine Werbung mit Sportzusammenhang geben darf«, ergänzt die Expertin.
Unter den alkoholfreien Getränken sind Energydrinks laut Foodwatch eine der wenigen Sparten, in denen es in den letzten Jahren ein konstantes Wachstum gab. Daten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aus dem Jahr 2013 zeigen, dass damals bereits 68 Prozent der zehn bis 18-Jährigen in Europa Energydrinks tranken. Auch Kinder unter zehn Jahren gaben damals an, sie zu konsumieren.

Heute werden die Drinks als Teil des jugendlichen Lifestyles vermarktet, stellt Siegmann klar: »In dieser riesigen Marketingmaschine gibt es viele Strategien«. Sportsponsoring oder Festivalsponsoren etwa. »Das wirkt auf Kinder und Jugendliche«. Energydrink-Hersteller setzten laut der Expertin aber auch auf Influencer, um ihre Produkte zu bewerben.
»Ein Beispiel ist Lewinray. Der ist unter den KiKA-Zuschauern total beliebt«. Letztes Jahr gewann der 21 Jahre alte Social-Media-Star einen Preis. Bei der entsprechenden Verleihung ist Siegmann etwas aufgefallen: »Auf der Preisverleihung sieht man, dass ihm 10-, 11-, 12-Jährige zujubeln. Gleichzeitig hat er eine Kooperation mit Effekt Energy [einem Energydrink-Hersteller, Anm. d. Red.] am Laufen und macht lustige Videos à la: Hey, ich konsumiere sieben Dosen Energydrinks auf einmal, bevor Mutti von der Arbeit nach Hause kommt«. Die Campaignerin warnt: »Das sind super gefährliche Botschaften«. Deshalb fordert der Verein Foodwatch seit nunmehr zehn Jahren eine Altersgrenze von 18 Jahren. »Wir sind der Meinung, dass man ab erst 18 vollumfänglich die Konsequenzen seines Handelns abschätzen kann«, so Siegmann.
»Wir sind der Meinung, dass man erst ab 18 vollumfänglich die Konsequenzen seines Handelns abschätzen kann«
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) führte in Zusammenarbeit mit der Charité -Universitätsmedizin Berlin über fünf Jahre eine eigene Studie zur Bewertung der Lage durch. Das Ergebnis, das vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde, brachte allerdings nicht die von Foodwatch erhoffte Bewegung. Denn die als Entscheidungsgrundlage für die Bundesregierung dienende Forschung widersprach anderen Studien und gab Entwarnung: Energydrinks verursachen demnach zunächst keine Herzschäden bei Kindern.
»Da haben wir uns dann zusammen mit Kinderkardiologen auf die Hinterbeine gestellt. Denn wir sind sehr entschieden gegen das Studien-Design und dagegen, was da gemacht wurde«, kritisiert Siegmann die Studie. Diese sei wenig aussagekräftig, kontern auch Mediziner-Kollegen, darunter Prof. Nikolaus Haas, Klinikdirektor der LMU München. So heißt es: »Selbst Tabak- und Alkoholkonsum zeigt in den Studiendaten keine Veränderungen an der Herzgesundheit von Jugendlichen! Trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, daraus den Schluss zu ziehen: Alkohol und Tabak sind kein Problem für Kinder.«
»Selbst Tabak- und Alkoholkonsum zeigt in den Studiendaten keine Veränderungen an der Herzgesundheit von Jugendlichen!«
»We (…) strongly disagree« (»Wir widersprechen entschieden«), schrieben die Mediziner letztlich in einem Brief an das Fachjournal, in dem die Studie mit dem Namen EDKAR veröffentlicht wurde. Trotzdem bleibe das Ergebnis, für Foodwatch und alle weiteren Befürworter einer Altersgrenze, problematisch. »Denn die methodisch mangelhafte Studie ist jetzt in der Welt«, schlussfolgert Siegmann. »Jahrelang wurde gesagt, wir warten diese Studie ab, dann wissen wir endlich, was wir politisch tun müssen. Jetzt kommen gemischte Signale bei der Politik an.«
Was ist Foodwatch e.V.?
Foodwatch e.V. ist eine gemeinnützige und unabhängige deutsche Verbraucherschutzorganisation, die sich für sichere, gute und ehrliche Lebensmittel einsetzt. Der Verein mit Sitz in Berlin gründete sich 2002. Die Organisation finanziert sich ausschließlich durch Beiträge und Spenden, um ihre Unabhängigkeit von Staat und Wirtschaft zu gewährleisten. (kim)
Deshalb setzten sie nun auf vereinte Kräfte, auf faktische Widerlegungen und öffentliche Kritik von qualifizierten Personen, die sagen: »Wir haben da sehr wohl ein Problem«. Siegmann sagt weiter: »Es ist an uns, dieses Thema im Gespräch und im politischen Raum zu halten. Ich habe nicht das Gefühl, dass das ist jetzt schon das Ende des Kampfes ist.« (GEA)

