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Trauer und Wut: Gedenken und Demo für getöteten Jugendlichen

Nach dem tödlichen Polizeieinsatz herrscht immer noch Bestürzung in Dortmund. Bei einer Gedenkveranstaltung wird zur Besonnenheit aufgerufen. Auf die Trauer um den 16-Jährigen bei dieser Veranstaltung folgt Wut bei einem Protestzug.

Trauer in Dortmund
In Gedenken. Foto: Gregor Bauernfeind
In Gedenken.
Foto: Gregor Bauernfeind

Erst Trauer, dann Wut: In Dortmund haben Hunderte Menschen bei einer Trauerfeier um den in der Stadt von der Polizei erschossenen Jugendlichen getrauert.

Vertreter der muslimischen und afrikanischen Gemeinde in der Stadt forderten bei der Gedenkveranstaltung in einer Moschee Aufklärung, warnten aber auch vor Vorverurteilungen. Bei einem Protestzug durch die Stadt wurde dagegen gefragt: »Wer schützt uns vor der Polizei?«

»Ich spüre, dass man aufgewühlt ist«, sagte Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) bei der Trauerfeier in der Abu-Bakr-Moschee mit Blick auf die Stimmung in der Stadt. »Weil in unserer Stadt ein 16 Jahre junger Mann durch einen Polizeieinsatz zu Tode gekommen ist.« Er spüre eine große Erschütterung. »Wir brauchen einander alle in dieser Stadt«, sagte er. Er betonte, dass der Rechtsstaat alles tue, um aufzuklären. Man dürfe andere nicht verurteilen in einer Sache, bei der man noch nicht genau wisse, was passiert sei.

Forderung nach Aufklärung

»Der Sachverhalt muss aufgeklärt werden«, forderte Ahmad Aweimer, der Sprecher des Rates der muslimischen Gemeinde in Dortmund, stellte aber klar: »Wir verbieten uns jede Schuldzuweisung.« Wichtig sei nun der Zusammenhalt in der Stadt. »Die Tatsache, dass wir heute alle zusammenstehen, zeigt das eindeutig.« Der Imam der afrikanischen Gemeinde, Abduramane Djaló, sagte, es müsse alles daran gesetzt werden, dass es Gerechtigkeit gebe und Licht ins Dunkel gebracht werde. Auch Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche nahmen an der Trauerfeier teil.

Der Jugendliche aus dem Senegal war laut der Stadt wohl im April als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen, in Dortmund war er erst wenige Tage vor dem Polizeieinsatz am Montag angekommen. Er wurde von einem Polizisten mit einer Maschinenpistole erschossen, nachdem er Beamte mit einem Messer angegriffen haben soll.

Der Leichnam des 16-Jährigen war bei der Trauerfeier in einem Sarg aufgebahrt. Laut Aweimer wird noch versucht, Kontakt zu Angehörigen herzustellen. Falls diese es wünschten, würde die Leiche in den Senegal überführt, ansonsten soll der Jugendliche kommende Woche in Dortmund beerdigt werden.

Ahmad Aweimer sagte am Rande der Trauerfeier, die Stimmung in seiner Gemeinde sei erschüttert. Bei manchen Immigranten rufe der Polizeieinsatz vielleicht Erfahrungen und Erinnerung an Diskriminierungen hervor, die sie selbst erfahren hätten. Manche fragten sich, ob die Polizei genau so gehandelt hätte, wenn der Jugendliche weiß gewesen wäre.

Schwere Vorwürfe bei Protesten

Bei einem Protestzug des linken Spektrums und der afrikanischen Community im Anschluss durch die Stadt wurden dann schwere Vorwürfe laut. »Wer schützt uns vor der Polizei?«, »No Justice, no Peace« oder »Wer hat geschossen? - Die Polizei« wurde gerufen, Bilder des Getöteten hochgehalten.

Vergleiche zu anderen von der Polizei getöteten Schwarzen, etwa zu George Floyd, wurden gezogen. Es wurde gefragt, ob elf Beamte einen Jugendlichen nicht anders hätten stoppen können. Warum eine Maschinenpistole nötig gewesen sei, um einen Jugendlichen vom Suizid abzuhalten - laut Staatsanwaltschaft war der 16-Jährige kurz vorher in einer Psychiatrie gewesen, es stünden suizidale Absichten im Raum.

© dpa-infocom, dpa:220812-99-364271/6