Logo
Aktuell Tiere

Tierfreundschaft zwischen Baby-Hasen und Hund endet tragisch

Unzertrennlich schienen Baby-Feldhase »Hasi« und Hund »Lasko«. Zahlreiche Medien berichteten über die tierische Begegnung. Nun nahm die rührende Freundschaft ein trauriges Ende.

Der Australian Shepherd-Mix »Lasko« schnuppert an dem jungen Feldhasen »Hasi«. Der Hund hatte den Feldhasen im Garten der Familie im Landkreis Schweinfurt unterkühlt und hungrig aufgespürt. Der Hase wurde von der Familie versorgt, kam dann aber auf Anweisung einer Tierärztin in die Obhut einer Auffangstation und verendete später. Foto: Nicolas Armer/dpa
Der Australian Shepherd-Mix »Lasko« schnuppert an dem jungen Feldhasen »Hasi«. Der Hund hatte den Feldhasen im Garten der Familie im Landkreis Schweinfurt unterkühlt und hungrig aufgespürt. Der Hase wurde von der Familie versorgt, kam dann aber auf Anweisung einer Tierärztin in die Obhut einer Auffangstation und verendete später. Foto: Nicolas Armer/dpa

SAND AM MAIN. Feldhase Hasi nuckelt an einem Fläschchen, während Ilse Mahr ihn wie einen Säugling im Arm wiegt. Hund Lasko sitzt auf allen Vieren daneben, spitzt die Ohren, seine Augen folgen aufmerksam jeder Regung. Hasi ist fertig, putzt sich und hoppelt durch das Wohnzimmer. Lasko folgt wie ein großer Schatten. Schmiegt sich Hasi an Laskos Fell, schleckt der Rüde über seinen Kopf. Als Hasi in den Käfig gesetzt wird, legt sich Lasko davor. »Lasko lässt den Kleinen nicht aus den Augen«, erzählt Herrchen Karl-Heinz Mahr.

Der Australian-Shepherd-Mischling hatte den Feldhasen vor etwa drei Wochen im Garten der Familie im unterfränkischen Sand am Main (Landkreis Schweinfurt) aufgespürt. Auf den ersten Blick habe er ausgesehen, wie ein durchnässtes Wollknäuel, das Lasko mit seiner Nasenspitze zum Haus stupste, erzählt Mahr. Beim genauen Hinsehen erkannte er das Feldhasen-Baby - unterkühlt und hungrig. Nicht einmal so groß wie die Hand des 65-Jährigen soll Hasi gewesen sein. 

Zusammen mit seiner Frau wärmt, trocknet, säubert und füttert er den Feldhasen. Das Ehepaar ist sich einig: »Ohne Lasko hätte Hasi die Nacht nicht überlebt.« Die Mahrs informieren sich im Internet, kaufen Babymilch und ein Trinkfläschen für den Nachwuchs. Knapp 150 Gramm soll der Feldhase beim Fund gewogen haben. Zwei Wochen später sind es satte 500 Gramm. Mehrere Medien berichteten über die tierische Freundschaft. Danach gibt es Ärger. Auf Facebook formierte sich eine Gruppe, die am Tierwohl des Wildhasens zweifelt. »Wir und unsere beiden Söhne wurden beschimpft«, erzählt Karl-Heinz Mahr.

Tatsächlich kann es in Deutschland strafbar sein, ein Wildtier aufzunehmen. Nur in offensichtlicher Not dürfen Wildtiere aufgenommen werden. Nach Paragraph 45 (Absatz 5) des Bundesnaturschutzgesetzes ist es »vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen.« Die Polizei oder ein Jagdpächter müssen vorab informiert werden. 

Laut Familie Mahr wurde die zuständige Jagdpächterin kontaktiert. »Die Jagdpächterin hat ihr ausdrückliches Einverständnis erklärt, dass sich die Familie Mahr weiterhin um den Hasen kümmert«, zitierte die Tageszeitung »Main-Post« einen Vorsitzenden des Landesjagdverbandes Bayern der Kreisgruppe Haßfurt. Die Hasen-Mutter hätte das Jungtier wegen Laskos Geruch wahrscheinlich nicht mehr angenommen, so die Begründung. Die Jagdpächterin gab an, bei der Entscheidung nicht involviert gewesen zu sein und wollte sich nicht weiter zu dem Fall äußern. 

»Wir halten es auf jeden Fall für richtig und angemessen, Tieren, die sich in Notsituationen befinden, zu helfen. Häufig entstehen die Notsituationen ja auch aus Ursachen, die der Mensch zu vertreten hat«, sagt der Vorsitzende vom Wildtierschutz Deutschland e.V., Lovis Kauertz. »Deshalb ist es unseres Erachtens ethisch auch nicht vertretbar wegzuschauen.« Gleichzeitig weist er daraufhin, dass viele Wildtiere nur vermeintlich hilflos wirken. Eine Feldhasen-Mutter säuge nur abends und morgens ihr abgelegtes Hasenkind. Ein anderes Beispiel seien Vogelkinder, die ihr Nest verlassen, wenn sie flügge sind und von den Vogeleltern am Boden weiterversorgt werden.

Vergangene Woche war Hasis Erstuntersuchung beim Tierarzt. Der Feldhase hatte Blähungen und sollte zunächst zur Aufsicht bleiben. Wenig später kam ein Anruf der Ärztin: Medizinisch sei es nötig, den Hasen an eine Expertin abzugeben. Wo Hasis neues Zuhause ist, werde man der Familie nicht mitteilen, gibt Karl-Heinz Mahr das Gespräch wieder. »Meine Frau hat den ganzen Tag geweint. Ich musste mir auch die Tränen zurückhalten«, sagt er. »Wir verstehen, wenn der Feldhase aus gesundheitlichen Gründen nicht bei uns leben kann.« Aber ohne Abschied? Schließlich sei ihnen das Tier sehr ans Herz gewachsen. »Die letzten Tage war Lasko unruhig und hat überall rumgeschnuppert«, sagt Karl-Heinz Mahr. »Als ich mit dem leeren Käfig nach Hause kam, ist er sofort aufgesprungen und hingerannt.« 

Auf Nachfrage verwies die Praxis auf einen örtlichen Tierschutzverein, der auch eine Wildtierauffangstation hat. Dort war man empört über den Fall. Es sei nichts gegen die Familie, aber einiges sei »unmöglich gelaufen«, sagte eine Mitarbeiterin. Der Hase habe unter Dauerstress gestanden, weil er vom Instinkt her ständig bedroht wurde, unter anderem vom Hund im Haushalt. Zudem sei er falsch gefüttert worden. Das Tierheim warnt vor Nachahmern. »Wir sind froh, wenn Tieren geholfen wird, aber bitte unter fachlicher Aufsicht.« Wie der Verein mitteilte, ist der junge Feldhase vor einigen Tagen gestorben. Familie Mahr erfuhr durch die Presse von Hasis Tod. (dpa/lby)