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Tödlicher Raserunfall: Angeklagter bricht in Tränen aus

Er war in einem gemieteten Sportwagen mit mindestens 305 km/h unterwegs, als der Unfall passierte und sein Beifahrer starb. Jetzt beginnt in München der Prozess gegen den Fahrer.

Prozess in München
Der Angeklagte (m.) im Gerichtssaal in München. Foto: Matthias Balk
Der Angeklagte (m.) im Gerichtssaal in München.
Foto: Matthias Balk

Der junge Mann ist der einzige aus der Familie, der es schafft, an diesem Tag im Gerichtssaal anwesend zu sein. Sichtlich emotional hört er sich an, was der angeklagte Kumpel über den Unfall sagt, bei dem sein kleiner Bruder starb.

Seine Eltern und seine anderen beiden Brüder hätten eigentlich auch zur Verhandlung kommen wollen, sagt der junge Mann. »Aber es geht nicht.«  Seine Eltern seien »einfach gebrochen«. Erst als einer der Ersthelfer die Situation schildert, die er bei dem fürchterlichen Unfall im Jahr 2019 auf einer Autobahn bei München vorfand, verlässt der junge Mann den Verhandlungssaal. 

Der Angeklagte entschuldigt sich unter Tränen

Vor dem Amtsgericht München hat der Prozess um einen tödlichen Raserunfall begonnen. Gegenüber von dem jungen Mann, der seinen Bruder verloren hat, sitzt der angeklagte Freund dieses Bruders und schluchzt. »Zu keiner Zeit haben wir damit gerechnet, dass irgendwas passieren könnte«, sagt der 26 Jahre alte Student, bevor er in Tränen ausbricht und seinen Anwalt bittet, seine Stellungnahme weiter vorzulesen. »Es tut mir alles sehr leid, was passiert ist«, heißt es in dieser Erklärung weiter. »Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, mich aufrichtig zu entschuldigen.« Er »würde alles dafür tun, es ungeschehen zu machen«. 

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung vor. Er soll 2019 mit mindestens 305 Stundenkilometer mit einem gemieteten Sportwagen einen Unfall auf der Autobahn 95 gebaut haben, bei dem sein Beifahrer starb. Von einer »Rakete« spricht eine Zeugin, die den Sportwagen kurz vor dem verheerenden Unfall an ihrem Auto vorbeirasen sah. »Das hat ausgesehen, als wäre eine Bombe hochgegangen«, sagt ein Arzt, der zufällig als einer der ersten am Unfallort war und Erste Hilfe leistete.

Es gab wohl auch illegale Autorennen

Und ein dritter Autofahrer berichtet davon, dass er ganz unmittelbar vor dem Unfall zwei teure Autos sah, die ihn überholten und dann in einem Wahnsinnstempo davonfuhren. Sie seien, so vermutet er, langsam an sein Auto herangefahren, um zu »gucken, ob wir nicht Zivilpolizei sind«. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte, sein getöteter Freund und weitere Kumpels sich Luxusautos mieteten, tagelang damit herumfuhren und sich dabei auch illegale Rennen lieferten. In mindestens 149 Fällen sollen sie viel zu schnell unterwegs gewesen zu sein. 

In der Aussage des Angeklagten klingt das etwas anders. Man habe nur an den Tegernsee fahren wollen mit den schicken Autos. Weil die Autobahn bei dem Ausflug aber so voll gewesen sei, habe man sich entschlossen, nachts nochmal loszufahren, um das schnelle Auto richtig auszutesten. 

»Bei der Fahrt ging es dem Angeschuldigten - im Einvernehmen mit seinem Beifahrer - darum, auf der gefahrenen Strecke eine möglichst hohe Geschwindigkeit mit dem Fahrzeug zu erzielen und dieses bis zur Höchstgeschwindigkeit zu beschleunigen«, heißt es in der Anklage.

Es war lange unklar, wer am Steuer saß

Die Betonung des Einvernehmens ist in diesem Fall sehr wichtig und der Grund dafür, dass die Tat zum Amtsgericht angeklagt ist, das nur eine Höchststrafe von vier Jahren verhängen kann - und nicht zum Landgericht. Der Strafrahmen für ein illegales Autorennen, das tödlich ausgeht, liegt sonst bei bis zu zehn Jahren. Raser sind nach tödlichen Unfällen auch schon wegen Mordes angeklagt worden. 

Und nicht nur das ist besonders an diesem Fall: Es dauerte ein Dreivierteljahr, bis die Ermittlungen ergaben, dass der Angeklagte das Auto gefahren war - und nicht der Getötete, der mit seinem Sitz aus dem völlig zerstörten, brennenden Wagen geschleudert worden war. 

Der Angeklagte gab an, er könne sich an den Unfall nicht erinnern und auch nicht daran, wer dabei gefahren war. Die beiden Freunde hätten sich immer wieder abgewechselt und er habe ihn nicht zu Unrecht beschuldigen wollen. Er habe schlicht nicht gewusst, dass er gefahren sei und nicht sein Freund. Der Bruder des Getöteten nannte das Verhalten des Angeklagten nach der Tat »feige, anwidernd und untermenschlich«. Dass sein kleiner Bruder lange als »Todesfahrer von Gauting« gegolten habe, habe seine Familie noch zusätzlich schwer belastet. 

© dpa-infocom, dpa:230215-99-602392/6