Eine Millionenspende von Halbbrüdern des Terroristen Osama bin Laden hat dem britischen Prinz Charles scharfe Kritik und Zweifel an seinem Urteilsvermögen eingebracht.
Die Wohltätigkeitsorganisation Prince of Wales Charitable Fund (PWCF) des ältesten Sohns von Queen Elizabeth II. nahm eine Million Pfund (1,19 Mio Euro) von Bakr und Shafiq bin Laden an, wie die Zeitung »Sunday Times« am Sonntag berichtete. Zuvor hatte sich der Thronfolger in seiner Londoner Residenz Clarence House mit dem schwerreichen saudischen Unternehmer Bakr bin Laden getroffen.
Osama bin Laden war der Drahtzieher der Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001 mit Tausenden Toten, darunter 67 Briten. Er wurde am 2. Mai 2011 von US-Spezialeinheiten in Pakistan getötet. Es gibt keine Hinweise, dass seine Halbbrüder Bakr und Shafiq bin Laden in die Attentate verwickelt waren oder Terrorismus unterstützen.
Neulich gab es Empörung über PWCF-Spenden
Britische Medien reagierten dennoch entsetzt. Ein Royal dürfe nie mit dem Namen des Terrorfürsten in einem Atemzug genannt werden, hieß es. »Charles Cash Shock«, schrieb die Zeitung »Sun«, und die »Mail on Sunday« sprach von einer »royalen Sensation« und einem »frischen Fundraising-Skandal«.
Denn es ist beileibe nicht das erste Mal, dass die Art und Weise, wie die PWCF zu Geld kommt, Empörung auslöst. Erst vor wenigen Wochen enthüllte ebenfalls die »Sunday Times«, dass der Queen-Nachfolger zwischen 2011 und 2015 insgesamt drei Millionen Euro in bar vom katarischen Ex-Ministerpräsidenten Scheich Hamad bin Dschasim Al Thani angenommen hat. Die Details klingen wie in einem Mafiafilm: Eine Million sei in einem Koffer, weitere Beträge in Einkaufstaschen eines bekannten Luxuskaufhauses verstaut gewesen.
»Das Schweigen der politischen Klasse ist ohrenbetäubend«
Die Charity Commission, die britische Wohltätigkeitsorganisationen kontrolliert, entschied sich gegen eine Untersuchung. Zwar sorgten die Umstände der Geldübergabe für Stirnrunzeln, aber es gab keine Zweifel, dass die Spende legal war. Doch legal bedeutet aus Sicht von Beobachtern nicht moralisch korrekt. Der Royals-Experte Peter Hunt kritisierte damals eine Art Freifahrtschein für Charles, da sich weder Regierung noch Opposition trauten, den Thronfolger offen zu kritisieren. »Das Schweigen der politischen Klasse ist ohrenbetäubend«, twitterte Hunt. »Der de-facto-König ist außer Reichweite - sein Urteil wird nicht angezweifelt.«
Worauf der Palast-Kenner anspielt: Charles übernimmt immer mehr Aufgaben von seiner Mutter, manche nennen ihn schon einen Prinzregenten. Da kommen die Berichte über Spendenskandale und andere Korruptionsvorwürfe zur Unzeit. Gerade das künftige Staatsoberhaupt müsse moralisch völlig integer sein, heißt es - so wie die Queen, die in ihrer seit 70 Jahren dauernden Regentschaft keinen Anlass auch nur für den Hauch eines Zweifels an ihrer Amtsführung gibt.
Der Prinz ein »Teflon-König«, an dem alles abperlt?
Da passt auch ein anderer Skandal um Charles nicht ins Bild. Der damalige Chef seiner Stiftung Prince's Foundation soll einem saudischen Geschäftsmann im Gegenzug für Spenden Unterstützung bei dessen Wunsch nach einem Ritterschlag und der britischen Staatsbürgerschaft zugesagt haben. Charles habe nichts davon gewusst, hieß es. Sein Vertrauter musste zurücktreten. Einen »Teflon-König«, an dem alles abprallt, nannte Experte Hunt den Prinzen nun.
Die Royal Family wird in der Tat seit Jahrzehnten immer wieder von Affären erschüttert. Mit Prinz Andrew, Charles' Bruder und zweitältester Sohn der Queen, ist ein prominentes Mitglied aus der Öffentlichkeit verschwunden - der Herzog von York ist in einen Skandal um sexuellen Missbrauch Minderjähriger verwickelt. Auch Charles hatte in der Vergangenheit einen schlechten Ruf. Viele Briten nahmen ihm krumm, dass er seine populäre Ehefrau Prinzessin Diana mit seiner Jugendliebe und heutigen Gattin Camilla Parker-Bowles betrog.
Hat der Thronfolger die Bedenken ignoriert?
Doch seitdem hat sich sein Ansehen deutlich gebessert. Bei öffentlichen Auftritten wird der 73-Jährige bejubelt, auch Herzogin Camilla ist mittlerweile sehr beliebt. Die Königin wünscht sich, dass ihre Schwiegertochter zur Queen wird, wenn Sohn Charles nach ihrem Tod den Thron besteigt. Da passen dubiose Spenden arabischer Potentaten und Unternehmer nicht ins Bild.
Das hätten auch mehrere Berater dem Prinzen gesagt, berichtete die »Sunday Times«. Das Geld aus der Familie bin Laden sei »für niemanden gut«. Er möge es nicht annehmen oder wenigstens zurückzahlen. Doch Charles habe die Bedenken, dass die Spende sein Ansehen beschädigen könnte, nicht nur ignoriert, sondern »niedergebrüllt«, so das Blatt. Dem widersprach eine anonyme Quelle im selben Bericht. Die Entscheidung über die Annahme habe allein bei den Treuhändern gelegen. Der Chef der Stiftung, Ian Cheshire, sagte, alle fünf Treuhänder hätten der Spende zugestimmt.
© dpa-infocom, dpa:220731-99-220472/4