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Später Schnee ist kleiner Lichtblick für Schweizer Gletscher

Nach einem verheerenden Jahr für die Alpengletscher lassen die neuesten Messungen minimal aufatmen. Ob der Schnee allerdings als Schutz vor allzu großer Sommerschmelze reicht, ist fraglich.

Morteratschgletscher
Ein Wissenschaftler steht im schweizer Allalingletscher. Foto: R. Moser
Ein Wissenschaftler steht im schweizer Allalingletscher.
Foto: R. Moser

Den Schweizer Gletschern ist dank später Schneefälle in den vergangenen Wochen ein absoluter Minimal-Rekord der Schneemenge in diesem Jahr erspart geblieben. Allerdings liegt fast überall kaum mehr Schnee als im Extremjahr 2022, wie der Leiter des Gletschermessnetzes Glamos, Matthias Huss, der Deutschen Presse-Agentur sagte.

»Gletscher sind die Botschafter der Klimakrise«, twitterte er vergangene Woche. Glamos misst Schneemengen an rund 20 Gletschern und hat die jüngsten Daten gerade ausgewertet.

Der schneearme Anfang des Winters verhieß nichts Gutes, sagte Glaziologe Andreas Bauder von der ETH Zürich. Durch den Schneefall seit Ostern seien die großen Schneedefizite aber etwas reduziert worden. Zudem ende der Winter in hohen Lagen über 3000 Metern erst im Mai, deshalb seien weitere Schneefälle möglich. Auf den meisten Schweizer Gletschern liege zur Zeit im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2022 eine stark unterdurchschnittliche Schneemenge.

Für die Gesamtbilanz der Gletscher ist der Winter nur eine Seite der Medaille, wie Bauder sagt. Entscheidend ist die Schmelze über den Sommer. 2022 war der Winter früh zu Ende, gefolgt von einer rasant einsetzenden Sommerschmelze. »Wir hatten bei allen Gletschern Rekordverluste«, sagte er. Um dies wettzumachen, wären nach Angaben der Experten mehrere schneereiche und sehr kühle Jahre nötig.

»Die Alarmglocken klingeln schon lange«

Vor 2022 war der schneeärmste Winter der Zehn-Jahres-Periode 2013 bis 2022 der Winter 2016/2017. 2016 war das heißeste Jahr seit der Industrialisierung (1850-1900) bezogen auf die globale Durchschnittstemperatur. Für den Klimawandel sorgen menschengemachte Treibhausgase, mit Auswirkungen in aller Welt: Folgen sind unter anderem schwere Überschwemmungen, Dürren, heftige Unwetter und der Meeresspiegelanstieg.

2016 fiel zusammen mit dem Wetterphänomen El Nino. Es sorgt alle paar Jahre im südlichen Pazifik für einen Anstieg der Temperatur an der Wasseroberfläche und trägt zusätzlich zur Erwärmung bei. Experten sehen Anzeichen, dass sich 2023 wieder ein El Nino entwickelt.

»Die Alarmglocken klingeln schon lange und laut«, sagt Bauder über die Entwicklung. Seine Sorge ist, dass die vorhandene Schneemenge, die im Sommer Schutz vor der Sonne bietet, nicht reicht. Weißer Schnee reflektiere die Sonnenstrahlen gut. Wenn er weg sei und das dunkle Eis zum Vorschein komme, verstärke sich die Schmelze, selbst in Sommern, die nicht besonders heiß oder strahlungsintensiv sind.

Glamos zählt in der Schweiz 1400 Gletscher. Der mit Abstand größte ist der gut 20 Kilometer lange Aletschgletscher im Kanton Wallis. Er hat markante Mittelmoränen, die ihn wie eine gigantische Autobahn aussehen lassen. Sie entstehen durch den Zusammenfluss mehrerer Gletscherarme.

© dpa-infocom, dpa:230430-99-504177/2