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Sogar Säuglinge missbraucht: Hohe Haftstrafe für Babysitter

»Wer die Kinder nicht hat schreien hören, der weiß nicht wirklich, worum es hier geht.« So beschreibt ein Kölner Richter ungewöhnlich sadistische Missbrauchstaten - und verhängt eine besonders hohe Haftstrafe.

Missbrauchskomplex Wermelskirchen
Der Angeklagte im Missbrauchskomplex Wermelskirchen hält sich im Gerichtssaal eine Mappe vor das Gesicht. Foto: Oliver Berg
Der Angeklagte im Missbrauchskomplex Wermelskirchen hält sich im Gerichtssaal eine Mappe vor das Gesicht.
Foto: Oliver Berg

Wegen schwerstem sexuellen Missbrauchs von Säuglingen und Kleinkindern ist ein ehemaliger Babysitter aus Wermelskirchen bei Köln zu 14 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Das Landgericht Köln ordnete in seiner Urteilsverkündung wegen hoher Rückfallgefahr zudem Sicherungsverwahrung für den 45-Jährigen an, so dass dieser auch nach Verbüßung der eigentlichen Strafhaft vorerst nicht freikommen wird.

239.000 Euro Schmerzensgeld für die Opfer

Den Opfern muss der Serientäter insgesamt 239.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. »Wir sehen nicht ein Monster in Ihnen, aber dass man Sie fürchten muss, das sehen wir schon«, sagte der Vorsitzende Richter Christoph Kaufmann.

Die Taten - »sexuelle Orgien« - gehören nach seiner Einschätzung zum Schlimmsten, womit auch spezialisierte Ermittler in vielen Jahren konfrontiert waren. »Wer die Kinder nicht hat schreien hören, der weiß nicht wirklich, worum es hier geht«, sagte Kaufmann. Das jüngste der insgesamt 14 Opfer war vier Wochen alt.

Der Täter hielt all seine Verbrechen auf Video fest. Sein umfassendes Geständnis falle deshalb nicht allzu strafmildernd ins Gewicht, sagte Kaufmann. »Wir hatten doch alles live und in Farbe.« Einige extrem sadistische Szenen könne man sich in den »Folterkellern« irgendwelcher Schurkenstaaten vorstellen, aber kaum hinter der Fassade einer zutiefst bürgerlichen Existenz mitten in der Bundesrepublik.

Richter: »Die Kinder sind für Sie beatmete Sex Toys«

Der Angeklagte ist nach den Worten Kaufmanns ein »feingliedriger, smarter Typ«, wohlhabend, erfolgreich, weltgewandt. Der verheiratete IT-Experte hatte einen Freundeskreis aus Piloten, Ärzten und Schauspielern, unternahm luxuriöse Urlaubsreisen nach Singapur und Neuseeland und besaß in Wermelskirchen eine Millionenimmobilie. In diesem besonders transparent wirkenden Haus habe es jedoch im übertragenen Sinne einen dunklen Kellerbereich gegeben, sagte Kaufmann. Seine dunkle pädophile Sexualität habe der Angeklagte in menschenverachtender Weise ausgelebt. »Die Kinder sind für Sie beatmete Sex Toys«, sagte Kaufmann.

Wie andere Missbrauchstäter tauschte der 45-Jährige über das Internet kinderpornografisches Material aus. Daneben spezialisierte er sich jedoch zunehmend darauf, als Babysitter kleine Kinder - teils nur wenige Monate alte Babys - auf schwerste Weise zu missbrauchen. Dafür verabreichte er den Kindern teilweise Betäubungsmittel. In einem Fall missbrauchte er einen Jungen, der aufgrund seiner schweren geistigen Behinderung nicht darüber sprechen konnte.

Dies war einer der Gründe, warum der Täter so lange nicht auffiel - die Taten ereigneten sich zwischen 2005 und 2019. Ein anderer Grund war, dass der 45-Jährige hochgradig geschickt darin war, sich das Vertrauen der Eltern und älteren Kinder zu erschleichen. In einem Fall wurde er Taufpate eines Jungen, in einem anderen wusste er sogar die Zuneigung eines hochintelligenten, aber schwer zugänglichen Jungen zu gewinnen. »Die perfekte Fassade - Hochglanz«, sagte Kaufmann.

Täter verschlüsselte Videos perfekt

Zudem ist der Täter auch noch ein Computer-Experte, der seine Videos perfekt verschlüsseln konnte. Als die Polizei schließlich über einen Täterfreund auf ihn aufmerksam wurde und nach langen Ermittlungen ausreichende Beweise gesammelt hatte, schlug sie mit einem SEK-Kommando zu, als er sich gerade in einer Videokonferenz mit seinem Chef befand. Dadurch konnte er den Computer nicht mehr abschließen. »Das System war so gesichert, da wäre auch das CIA nicht reingekommen«, zitierte Kaufmann einen Experten. Wie sich herausstellte, führte der Täter ein elektronisches Archiv mit Ordnern wie »Sex mit Säuglingen«, »Sadistischer Missbrauch«, »Sex mit Tieren«.

Kaufmann wandte sich in seiner mehrstündigen Urteilsbegründung auch direkt an den Angeklagten, der kontrolliert und ruhig wirkte. »Das ist natürlich ein sehr bitterer Moment für Sie und eine sehr hohe Strafe«, sagte Kaufmann. Es seien aber eben auch außergewöhnlich schwere Straftaten, die er begangen habe. Der seit langem auf Missbrauchsverfahren spezialisierte Jurist erklärte: »In all den Jahren - das sind 25 Jahre - ist nicht ansatzweise ein Verfahren so dramatisch gewesen (...) wie dieses hier.«

© dpa-infocom, dpa:230228-99-768739/5