EL PASO/DAYTON. Bewaffnete Angreifer haben binnen 24 Stunden an zwei verschiedenen Orten in den USA 29 Menschen erschossen.
In einem Einkaufszentrum in der Grenzstadt El Paso in Texas tötete ein Schütze am Samstag mindestens 20 Menschen, 26 weitere wurden verletzt, wie Polizeichef Greg Allen mitteilte. Der mutmaßliche Täter ergab sich. In der Nacht zum Sonntag fielen in der Stadt Dayton im US-Bundesstaat Ohio Schüsse nahe einer Bar im Zentrum: Neun Menschen starben, 16 weitere wurden nach Angaben der Polizei verletzt. Beamte töteten den Angreifer. Die Massaker lösten international Bestürzung aus.
Bei dem Schützen in El Paso an der Grenze zu Mexiko handelt es sich um einen 21-jährigen Weißen. Polizeichef Allen sagte, es gebe ein »Manifest«, das womöglich auf ein Hassverbrechen schließen lasse. Es sei allerdings noch nicht bestätigt, ob die Kampfschrift tatsächlich von dem Verdächtigen stamme. In dem Pamphlet, das dem mutmaßlichen Täter von El Paso zugeschrieben wurde, heißt es unter anderem: »Dieser Angriff ist eine Antwort auf die hispanische Invasion in Texas.«
Zu den Motiven des Schützen in Dayton (rund 140.000 Einwohner) sowie dessen Identität konnte die Polizei zunächst nichts sagen. Es habe sich um einen Einzeltäter gehandelt. Der Mann habe mit einer Langwaffe geschossen, sagte der leitende Polizeibeamte Matt Carper. Der Sender CNN berichtete unter Berufung auf Ermittler, der Schütze habe eine Schutzweste getragen. Die Bundespolizei FBI schaltete sich in die Ermittlungen ein.
Das schnelle Eingreifen der Polizei habe Schlimmeres verhindert, sagte Carper: »Wir hatten Beamte in der unmittelbaren Umgebung, als die Schüsse fielen. Wir konnten reagieren und das Ganze schnell beenden.« Oregon District, das Ausgeh-Viertel in Dayton, wo die Schüsse fielen, gelte eigentlich als sicher. Aus Chicago wurde derweil ein Vorfall gemeldet, bei dem sieben Menschen nahe einem Park durch Schüsse aus einem Auto verletzt wurden.
Der Autor des Pamphlets von El Paso äußert in dem vierseitigen Text seine Unterstützung für den rassistischen Attentäter von Christchurch, der Mitte März in Neuseeland zwei Moscheen angegriffen und 51 Menschen getötet hatte. Die »New York Times« berichtete, der Text sei 19 Minuten vor dem ersten Notruf in El Paso online gegangen.
Der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, kündigte bei einer Pressekonferenz an, die Strafverfolgung werde sich nicht nur auf den Vorwurf des Mordes, sondern auch auf den eines Hassverbrechens konzentrieren. Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador teilte in einer Videobotschaft mit, unter den Toten seien drei Mexikaner. Nach Angaben des mexikanischen Außenministeriums wurden sechs weitere Mexikaner verletzt, darunter ein zehnjähriges Mädchen. Ein Polizeisprecher sagte nach Angaben des Senders CNN, der mutmaßliche Todesschütze rede mit den Ermittlern.
Polizeichef Allen sagte, der erste Notruf sei um 10.39 Uhr Ortszeit (18.39 Uhr MESZ) eingegangen. Sechs Minuten später sei die Polizei vor Ort gewesen. Der Szenerie am Tatort sei »schrecklich« gewesen. Ein Polizeisprecher sagte, die meisten Opfer seien in einem Walmart in dem Ladenkomplex von Schüssen getroffen worden. Der Supermarkt sei zum Zeitpunkt des Angriffs voll gewesen. Der Sprecher schätzte, dass sich dort zwischen 1000 und 3000 Menschen aufhielten. Der Schütze habe bei der Tat ein Gewehr benutzt.
El Pasos Bürgermeister Dee Margo sagte, der Verdächtige stamme nicht von dort. Nach US-Medienberichten kam er aus der Stadt Allen nördlich von Dallas, rund 930 Kilometer Luftlinie von El Paso entfernt. El Paso liegt unmittelbar an der Grenze zu Mexiko und hat rund 680.000 Einwohner. Nach Angaben des Bürgermeisters bestätigten sich Meldungen über einen zweiten Schützen nicht.
Der Sender CNN berichtete, Familien hätten in dem Walmart-Ladenkomplex für den bevorstehenden Beginn des neuen Schuljahres eingekauft. Auch rund 100 Walmart-Mitarbeiter seien in dem Supermarkt gewesen. Der älteste Verletzte sei 82 Jahre alt. Der Konzern zeigte sich schockiert über die Geschehnisse. Man bete für die Opfer, hieß es in einer Twitternachricht von Walmart.
Die Polizei rief die Menschen in El Paso auf, Blut zu spenden. Gouverneur Abbott sagte bei einer Pressekonferenz am Samstagabend in El Paso, es hätten sich Schlangen von Menschen gebildet, die Blut spenden wollten. »Jetzt ist es an der Zeit für Texaner, zusammenzukommen und sich gegenseitig zu unterstützen.« Abbott sprach von einer »abscheulichen« Gewalttat.
Tabitha Estrada, Mitarbeiterin eines Ladens in dem Einkaufszentrum, sagte CNN, sie habe sich mit Kunden im hinteren Teil des Geschäfts versteckt gehabt. Viele ihrer Kunden seien aus Mexiko gewesen. »Es ist surreal, dass das in unserer Stadt passiert, weil ich El Paso nie als einen hasserfüllten Ort kennengelernt habe.« Sie fügte hinzu, erst vor rund einem Monat habe die Polizei in dem Einkaufszentrum eine Übung für den Fall eines Amoklaufs abgehalten.
US-Präsident Donald Trump nannte die »hasserfüllte Tat« tragisch und einen »Akt der Feigheit«. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, unschuldige Menschen zu töten, schrieb er auf Twitter. Trump sagte dem Gouverneur von Texas die volle Unterstützung der Regierung in Washington zu. »Gott sei mit Euch allen!«, fügte er hinzu. Auch die Bundesregierung in Berlin reagierte erschüttert. »Unsere Gedanken und Anteilnahme sind bei den Verletzten und den Hinterbliebenen der Opfer«, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts.
Trump wurde nach Angaben des Weißen Hauses laufend über die Lage vor Ort unterrichtet. Der Präsident habe mit Justizminister William Barr und Gouverneur Abbott gesprochen, erklärte Vizesprecher Steven Groves. Kritiker werfen Trump vor, mit seinen Äußerungen Rassismus zu befeuern. Zuletzt sah er sich wegen persönlicher Angriffe auf einen schwarzen Abgeordneten der Demokraten Rassismusvorwürfen ausgesetzt. Regelmäßig greift der republikanische Präsident auch Migranten aus Lateinamerika an, die auf illegalem Wege in die USA kommen wollen.
In den USA kommt es immer wieder vor, dass in Einkaufszentren, an anderen öffentlichen Orten oder auch in Schulen Menschen durch Schüsse getötet werden. Bemühungen für schärfere Waffengesetze laufen seit Jahren ins Leere - vor allem, weil Trumps Republikaner dagegen sind. Die mächtige Waffenlobbyorganisation NRA bekämpft vehement jeden Versuch, Waffenbesitz stärker zu regulieren. Auch Trump ist dezidiert gegen eine Einschränkung des in der US-Verfassung verankerten Rechts auf Waffenbesitz. (dpa)