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Rückkehr der Freude: Rio de Janeiro feiert wieder Karneval

Nach dem coronabedingten Ausfall stehen in Rio wieder die berühmten Umzüge im Sambodrom an. Die Stadt ist froh: Sie hat unter dem Fehlen der größten Party der Welt sehr gelitten.

Karneval in Brasilien
Karneval in Rio: »König Momo« Wilson Dias da Costa Neto hebt den Schlüssel der Stadt. Foto: Bruna Prado
Karneval in Rio: »König Momo« Wilson Dias da Costa Neto hebt den Schlüssel der Stadt.
Foto: Bruna Prado

Nach dem coronabedingten Ausfall im vergangenen Jahr und der Verschiebung im Februar haben in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro die Karnevalsfans wieder das Zepter übernommen.

Bürgermeister Eduardo Paes übergab am Mittwoch den Schlüssel der Stadt symbolisch an »König Momo«, der nun während der außerplanmäßigen tollen Tage bis Sonntag »regiert«. »Ich habe die große Ehre zu verkünden, dass das größte Spektakel der Erde zurück ist«, sagte Paes. Er dankte dem Gesundheitspersonal, »ohne das es nicht möglich wäre, diesen Moment zu erleben«. Paes, ein Samba-Fan, hatte die Impfungen auch mit Blick auf den Karneval vorangetrieben.

Die Schlüsselübergabe fand im Stadtpalast statt, wo »Rei Momo« alias Wilson Dias da Costa mit Samba-Musik und Tanz empfangen wurde. Die ersten, unterklassigen Sambaschulen sollten bereits am Abend (Ortszeit) durch das Sambodrom in Rio ziehen. Das Hauptspektakel steht dann am Freitag und Samstag an, wenn die zwölf Sambaschulen der ersten Liga defilieren. Zehntausende von der Tribüne aus sowie Millionen vor den Fernsehschirmen in Brasilien und auf der ganzen Welt verfolgen die Umzüge im Sambodrom.

Der Karneval ist in Rio ein geradezu heiliges Ritual. Die Karnevalsmetropole hatte unter dem Fehlen der größten Party der Welt sehr gelitten. Denn Karneval ist das ganze Jahr über - nicht nur an den Tagen, an denen Zehntausende von der Tribüne aus und Millionen vor den Fernsehschirmen in Brasilien und auf der ganzen Welt die Umzüge im Sambodrom verfolgen. »Das ist das Werk einer Gemeinschaft«, sagt die Fahnenträgerin der »Império Serrano«, Maura Luiza Leal, der Deutschen Presse-Agentur.

»Cariocas«, wie die Bewohner der Stadt heißen, und Mitglieder von Sambaschulen sind heilfroh, dass wieder Umzüge stattfinden. »Wir haben eine sehr schwierige Zeit gehabt«, sagt Vitor César Ferreira, genannt »Vitinho«. »Ohne Karneval zu sein, ist sehr schwierig. Viele denken, das ist nur Party. Aber es ist Arbeit, Energie für Leute, die mit dem Samba geboren wurden.« Allein dass es wieder Karneval gibt, sieht der Percussion-Meister als großen Sieg.

Keine Feiern in der Pandemie

In Brasilien brach im März und April vergangenen Jahres auf dem Höhepunkt der außer Kontrolle geratenen Corona-Pandemie das Gesundheitssystem zusammen, mehr als 660.000 Menschen sind im größten Land Lateinamerikas im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Jetzt ist Südamerika dem Statistik-Portal »Our World in Data« zufolge Impfvorreiter, die Region mit dem höchsten Prozentsatz an Geimpften.

Rios Bürgermeister Eduardo Paes, selbst ein Samba-Fan, trieb die Corona-Impfungen auch mit Blick auf den Karneval voran. Für die Umzüge im Sambodrom wird ebenso wie für die Proben der »Império Serrano« ein Impfnachweis verlangt.

Ein zweiter Ausfall nach 2021 wäre politisch schwer zu vertreten, für die Stadt und ihre Bewohner schwer zu verkraften gewesen. Der Samba ist die Seele der Metropole, der Karneval die jährliche Katharsis der Menschen, bei der sich der Druck wie aus einem Dampfkochtopf befreit. Fast alles ist erlaubt - Tanzen, Flirten und noch mehr.

Gewöhnlich zieht das Spektakel jedes Jahr Millionen Touristen an den Zuckerhut. Der Karneval bringt der Stadt nach einem Bericht des Portals »Carnavalesco« Einnahmen von umgerechnet rund 620 Millionen Euro, die Hotels in Rio verzeichneten vom 15. bis 17. April eine durchschnittliche Auslastung von rund 75 Prozent. Umgekehrt machten Sambaschulen wie die »Mangueira« oder die »Portela« soziale Arbeit, um jene, die in der Corona-Pandemie in Schwierigkeiten geraten waren, zu unterstützen.

Mit dem Fortschreiten der Impfkampagne sank die Zahl der Toten stark, der Optimismus wuchs. Im September kehrte die »Império Serrano« an ihren Stammsitz zurück. »Davor waren die Proben verboten. Wir haben nur allein zu Hause geübt und Live-Schalten zusammen gemacht, das war jedes Mal ein Fest«, sagt Vitor »Vitinho« César Ferreira.

So ganz verlieren die Brasilianer die Freude ohnehin nur selten. Fast alles ist für sie Grund dazu - Fußball, Strand, schönes Wetter, nun die kühlen Temperaturen. Oder in der Sambaschule tanzen.

Eigentlich hätten sie schon im Februar durch das Sambodrom ziehen sollen, doch die Feiern wurden abgesagt und auf April verlegt. Abwarten, calma, hatte sich »Vitinho« da gesagt, in zwei Monaten werden wir unsere Arbeit zeigen, diesen Moment erleben können.

Zwei Karnevale in diesem Jahr

Aber Rio hat's auch im Februar nicht ganz lassen können. Es gefällt den Brasilianern, dieses Jahr zwei Karnevale zu haben. Trotz Absage feierte die Stadt einen ungewöhnlichen Karneval Ende des Monats: Der Verband der Sambaschulen hatte zur - inoffiziellen - Eröffnung mit Mini-Avenida in der »Cidade do Samba« geladen.

»Das ist sehr wichtig für uns«, sagte der Präsident der Sambaschule »Portela«, Luis Carlos Magalhães, damals der dpa. »Wir haben wegen der Pandemie viele Mitglieder verloren, vor allem viele im fortgeschrittenen Alter sind gestorben.« Umso wichtiger sei es gewesen, Freunde nach einem Jahr ohne Karneval wiederzusehen. Und die große Freude am brasilianischsten aller Feste wieder zu erleben.

© dpa-infocom, dpa:220420-99-972981/3