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Nach Amokfahrt in Münster: Verletzte weiter in Lebensgefahr

Nach der Todesfahrt von Münster versuchen die Ermittler weiter, die Hintergründe zu rekonstruieren. Immer klarer wird, dass der 48-jährige Täter wohl psychisch labil und suizidgefährdet war. Zwei der Schwerverletzten schweben weiter in Lebensgefahr.

Münster (dpa) - Nach der Amokfahrt mit insgesamt drei Toten in Münster schweben laut Polizei noch zwei der Verletzten in Lebensgefahr. Insgesamt waren bei der blutigen Tat am Samstagnachmittag etwa 20 Menschen verletzt worden. Eine 51-jährige Frau und ein 65-jähriger Mann wurden getötet.

Der 48 Jahre alte Täter hatte sich nach der Amokfahrt mit einem Campingbus in der Münsteraner Innenstadt in seinem Fahrzeug erschossen. Woher er die Waffe hatte, war zunächst unklar. »Er hatte keinen Waffenschein. Es war keine ordnungsgemäß erworbene Waffe«, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Morgen dem Sender WDR 5.

Die Polizei untersuchte am Montag weiter die Hintergründe und das Motiv. »Es sieht ganz so aus, dass es sich um einen psychisch labilen und gestörten Täter handelt, der offensichtlich schon länger darüber nachgedacht hat, sich das Leben zu nehmen«, sagte Reul am Morgen im Deutschlandfunk. Es würden zwar nach wie vor auch mögliche andere Hintergründe geprüft. »Aber es spricht schon sehr, sehr viel dafür, dass es ein Einzeltäter war.«

Die Ermittler wollten eine Art Bewegungsprofil des Todesfahrers erstellen. »Wir konzentrieren uns jetzt mit unseren Untersuchungen insbesondere darauf, ein möglichst umfassendes Bild über das Verhalten des Täters in den Vorwochen zu erhalten«, sagte der Polizeipräsident von Münster, Hajo Kuhlisch. So wollten die Ermittler dessen Motivation verstehen.

In dem Campingbus hatten Ermittler neben der Tatwaffe auch eine Schreckschusspistole und rund ein Dutzend sogenannter Polenböller gefunden. Weitere Polenböller sowie eine unbrauchbar gemachte Maschinenpistole vom Typ AK47 entdeckte die Polizei in der Wohnung des Amokfahrers.

Am Montag wollte die NRW-Opferschutzbeauftragte Elisabeth Auchter-Mainz mit den Betroffenen und den Verletzten in Münster zusammenkommen. Über ihren Sprecher rief sie dazu auf, die unschuldigen Betroffenen einer Tat wie in Münster nicht zu vergessen. »Nach einer tragischen und blutigen Tat wie dieser ist es wichtig, den Opfern die Hilfe anzubieten, die sie benötigen, kurzfristig und auch auf lange Sicht«, sagte der Sprecher des zuständigen NRW-Justizministeriums, Peter Marchlewski, der dpa.

Am Sonntag war bekannt geworden, dass der Mann wegen psychischer Probleme Kontakt zum Gesundheitsamt in Münster hatte und suizidale Gedanken formuliert hatte.

Der Täter, ein Industriedesigner, habe bereits Ende März eine Mail an mehrere Bekannte geschrieben, teilte die Polizei mit. »Aus dem Inhalt ergaben sich vage Hinweise auf suizidale Gedanken, aber keinerlei Anhaltspunkte für die Gefährdung anderer Personen.« Nach Medienangaben hatte der Mann in der Mail und auch in einem langen Schreiben, das in seiner weiteren Wohnung im sächsischen Pirna gefunden wurde, über Schuldkomplexe, Zusammenbrüche und Ärztepfusch geklagt. Nach dpa-Informationen stammt der Mann aus dem sauerländischen Olsberg, er wuchs in Brilon auf und lebte seit längerer Zeit in Münster.

Nach Ansicht des Kriminologen Christian Pfeiffer zeigt der Täter von Münster alle Merkmale eines Amokläufers. Der Mann sei offenkundig »ein einsamer Wolf ohne soziale Bindung und sozialen Erfolg«, sagte Pfeiffer der »Nordwest-Zeitung« in Oldenburg. Aus so einer Ohnmachtserfahrung könne sich der Wunsch nach Macht entwickeln. »Der Amokläufer möchte Herr über Leben und Tod anderer Menschen sein, möchte die Panik in ihren Augen sehen, wenn er sie mit tödlicher Wucht angreift«, sagte Pfeiffer. »Das soll ihn entschädigen für all die Niederlagen und Demütigungen, für die er andere verantwortlich macht.«

NRW-Innenminister Reul forderte Kommunen auf, selbst vor Ort zu prüfen, wie ihre Innenstädte etwa mit Pollern gesichert werden könnten. »Absolute Sicherheit gibt es einfach nicht«, sage Reul der in Heidelberg erscheinenden »Rhein-Neckar-Zeitung«. »Wir können nicht jede Gewalttat verhindern, müssen aber wachsam sein.«

Der Amokfahrer sei bereits auffällig gewesen und der Polizei bekannt, weil er kleinere Straftaten begangen habe, sagte Reul. »Wenn jemand darüber nachdenkt, sich das Leben zu nehmen, ist dadurch nicht automatisch daraus zu schließen, dass er auch anderen Menschen Gewalt antun wird«, sagte Reul.

Auch die SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles rief dazu auf, die Betroffenen der Amokfahrt weiter zu unterstützen. Beistand habe es unmittelbar nach der Tat ein Stück weit gegeben - es seien jetzt aber noch viele Sachen zu klären, sagte Nahles am Montag im ZDF-»Morgenmagazin«. Sie wies darauf hin, dass es dazu nach dem Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz von Opfern und Angehörigen viel Kritik gegeben habe. »Das sollte sich jetzt einfach besser darstellen.«