Nach der Abberufung von Patricia Schlesinger als Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) kommt der geschäftsführende Senderchef, Hagen Brandstäter, heute in den brandenburgischen Landtag. Der ARD-Sender steckt in einer tiefen Krise wegen des Skandals rund um Vetternwirtschaft.
Im Juli hatte Schlesinger eine Einladung in den Landtag ausgeschlagen - mit Blick auf die laufende externe Untersuchung einer Anwaltskanzlei. Weil sie danach Interviews gegeben hatte, gab es große Empörung.
Am Montag hatte der Rundfunkrat des öffentlich-rechtlichen Senders Schlesinger abberufen. Sie war bereits davor zurückgetreten - als RBB-Chefin und als ARD-Vorsitzende. Ob sie eine Abfindung bekommt oder Pensionsansprüche geltend machen kann, muss der RBB-Verwaltungsrat eruieren. Ein Zeithorizont blieb zunächst unklar.
Der Fall hat den Sender in eine beispiellose Krise gestürzt, die auch auf den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk abstrahlt.
Generalstaatsanwaltschaft ermittelt
Die Managerin und Journalistin sieht sich zahlreichen Vorwürfen der Vetternwirtschaft ausgesetzt. Im Zentrum steht neben der 61-Jährigen der ebenfalls zurückgetretene RBB-Chefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf. Beide wiesen Vorwürfe zurück. Zudem geht es um fragwürdige Aufträge für Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl bei der Messe Berlin, wo Wolf ebenfalls bis zu seinem dortigen Rücktritt Aufsichtsratschef war. Das Online-Medium »Business Insider« hatte den ganzen Fall Ende Juni ins Rollen gebracht.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen Schlesinger, gegen den Ex-»Spiegel«-Journalisten Spörl und gegen Wolf wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsannahme.
In dem Fall geht es um Details wie umstrittene Beraterverträge für ein inzwischen auf Eis gelegtes RBB-Bauprojekt, einen teuren Dienstwagen für Schlesinger mit Massagesitzen, die Verköstigung von Gästen in ihrer Privatwohnung auf RBB-Kosten mit angeblich falschen Rechnungen, eine kräftige Gehaltserhöhung für Schlesinger um 16 Prozent auf 303.000 Euro plus einem Bonus-System für Führungskräfte, das der Sender bislang unter Verschluss hält. Auch die Renovierung der Chefetage mit schicken Möbeln für 1,4 Millionen Euro sorgte für Unmut, zudem wird ein London-Trip Schlesingers hinterfragt.
Im Kern geht es um die Frage, ob die Senderchefin und der Senderchefkontrolleur Wolf miteinander einen zu laxen Umgang bei der möglichen Kollision von beruflichen und privaten Interessen gepflegt haben könnten. Es läuft eine externe Untersuchung einer Anwaltskanzlei, Ergebnisse liegen noch nicht vor. Sie werden erst in Wochen erwartet.
Personelle Konsequenzen
Es gab bereits weitere personelle Konsequenzen, vor Tagen wurde die Leiterin der Intendanz, Verena Formen-Mohr, mit sofortiger Wirkung freigestellt. Sie gilt wie Wolf als Weggefährtin Schlesingers. Die Frage ist, ob es noch weitere personelle Veränderungen an der Senderspitze geben wird. Auch die Zusammensetzung der Gremien Rundfunkrat und Verwaltungsrat wurden in den vergangenen Wochen hinterfragt.
Brandenburgs Medienstaatssekretär Benjamin Grimm (SPD) sagte, »unabhängig von der aktuellen Debatte hatten wir als Länder Berlin und Brandenburg im Entwurf zum neuen RBB-Staatsvertrag ohnehin schon vorgesehen, die Kontrolle, etwa durch die Landesrechnungshöfe, weiter auszubauen. Daran halten wir fest und werden angesichts der Vorkommnisse der letzten Wochen Transparenz und Aufsicht - noch über das ohnehin schon Vorgesehene Maß hinaus - deutlich stärken.«
Die Koordinatorin der Länder-Rundfunkkommission, Heike Raab (SPD), hat vom RBB zur Causa Schlesinger die Aufklärung zu Bonizahlungen gefordert. Die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin, die die wichtigste Medienpolitikerin der Bundesrepublik ist, sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Der RBB und seine Gremien müssen alle Vorwürfe und Kritikpunkte, zum Beispiel Vergaben und Bonizahlungen lückenlos aufklären. Insgesamt brauchen wir mehr Kontrolle, Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit bei Transparenz und Compliance.« Raab ergänzte: »Denn es ist ein großer Schaden über den RBB hinaus entstanden.«
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